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Brandenburg: Listen, Lieblingsfirmen und Geldgeschenke

POTSDAM .Rund 20 000 Unfälle ereignen sich jedes Jahr im Land Brandenburg.

POTSDAM .Rund 20 000 Unfälle ereignen sich jedes Jahr im Land Brandenburg.Hinzu kommen zahllose kleinere Kollisionen und einfache Pannen, die niemals Eingang in die Statistik finden.Aus diesem alltäglichen Mißgeschick erwächst für die rund 200 Pannendienste und Abschleppfirmen im Land ein lukratives Geschäft.Es herrscht wie überall freier Wettbewerb.Doch ganz so frei ist er nicht, meint der Interessenverband der Abschleppunternehmer (IGA), der in Brandenburg rund 100 Firmen vertritt.Die Polizei protegiere ihre "Lieblingsfirmen", lauten die Vorwürfe.Dasselbe sagen neuerdings eine Beamtin der Wache Hennigsdorf (Oberhavel) und ein Ex-Polizist der Wache Königs Wusterhausen (Dahme-Spreewald).Nun ermitteln Staatsanwaltschaft und Landeskriminalamt.

Offiziell darf die Polizei bei der Vergabe von Abschleppaufträgen nur als "Übermittler" auftreten.Auf Listen aller im Bereich ansässigen Unternehmen können die Unfallbeteiligten auswählen - so die Darstellung des Innenministeriums.Die Praxis sieht oft anders aus.Im Februar 1997 blieb auf der A 24 zwischen den Ausfahrten Fehrbellin und Kremmen ein Lastwagen wegen einer Reifenpanne liegen.Die Autobahnmeisterei rief den nächstgelegenen Abschleppdienst an, den Auto-Truck-Service von Norbert Jänicke.Ein Mitarbeiter fuhr zur Unfallstelle, wurde von den Polizisten aber zurückgehalten.Eine Firma aus Oranienburg sei bereits beauftragt worden, auf Wunsch des Fahrers und seines Chefs, wie die Beamten später zu Protokoll geben.Doch Spediteur David Kleinteich aus dem thüringischen Limbach und sein Fahrer Michael F.streiten das bis heute ab."Die Polizisten haben von sich aus den Pannendienst bestellt.Sogar als Auftraggeber ist ein Polizeibeamter vermerkt."

Die Oranienburger Firma hatte einen Anfahrtsweg von 35 Kilometern.Da sie die Panne nicht vor Ort beheben konnte, mußte die Unfallstelle zweimal angefahren werden.Insgesamt vier Stunden dauerte die Aktion, erzählt Kleinteich.Er streitet sich bis heute mit der Abschleppfirma über die Rechnung.Jänicke reichte eine Dienstaufsichtsbeschwerde beim Oranienburger Polizeipräsidenten ein.Die Ermittlungen blieben folgenlos."Es stand Aussage gegen Aussage", sagt Polizei-Sprecher Uwe Konzack.

Bereits 1993 ereignete sich ein Unfall im Bereich Königs-Wusterhausen.Der Fahrer, Ralf D., verlangte das ansässige Abschleppunternehmen Galm, doch die Polizisten erklärten ihm, diese Firma sei bereits mit anderen Unfällen beschäftigt.Evelyn Galm widerspricht: "Wir hatten die ganze Nacht nichts zu tun." Im Unfallprotokoll hatten die Beamten laut D.vermerkt: "Auf Wunsch von D.wurde das Unternehmen W.aus Schulzendorf verständigt." Das Unternehmen W.wird von einem ehemaligen Mitarbeiter und einem Ex-Polizisten der Wache Königs-Wusterhausen beschuldigt, Beamte mit Geschenken, Geldbeträgen und Gratis-Reparaturen bestochen zu haben.Um die Polizisten bei Laune zu halten, sollen Sex-Parties organisiert worden sein.Das Landeskriminalamt prüft derzeit die Vorwürfe.Ermittlungen laufen auch gegen die Polizeiwache Hennigsdorf.Eine Polizistin wirft ihren Kollegen in einer eidesstattlichen Erklärung vor, Präsentkörbe und Gratis-Reparaturen angenommen zu haben.Dafür sollen sie dem Unternehmen N.Aufträge zugeschanzt haben.Das ließe sich anhand von Strichlisten nachweisen, auf denen vermerkt werde, welcher Beamter eine Firma beauftragt habe.Sprecher Konzak weist das zurück, bestätigte aber die Existenz solcher Listen in den Dienststellen.Sie seien eingeführt worden, um die korrekte Vergabe von Aufträgen zu dokumentieren.

Die Landesregierung hatte die Existenz von Strichlisten bisher dementiert.Innenminister Ziel hat inzwischen auf die Bestechungsvorwürfe reagiert.Künftig sollen nicht mehr die Beamten vor Ort, sondern die Leitzentralen für die Vermittlung von Abschleppaufträgen zuständig sein."Der einzelne Polizist hat damit keinen Entscheidungsspielraum mehr", sagte Ziels Pressesprecher Manfred Füger.Die Firmen-Listen sollen nur noch in den Leitzentralen geführt werden.Von dort aus würde dann die nächstgelegene Firma verständigt.Die "Masse der Fälle" seien ohnehin Mitglieder von Automobilklubs mit einer eigenen Notrufnummer.IGA-Chef Dieter Pramschüfer bezeichnete diese Änderung als unwirksam.Notwendig sei eine "neutrale Kontrolle".

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