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Brandenburg: Matthias Platzeck im Gespräch: "Kooperation mit der PDS auf der Bundesebene kein Thema"

Matthias Platzeck (47) ist seit dem Sommer 2000 SPD-Landesvorsitzender. Außerdem gehört der Potsdamer Oberbügermeister dem Bundes-Präsidium der SPD an.

Matthias Platzeck (47) ist seit dem Sommer 2000 SPD-Landesvorsitzender. Außerdem gehört der Potsdamer Oberbügermeister dem Bundes-Präsidium der SPD an. Der aus der DDR-Bürgerrechtsbewegung gekommene Politiker Platzeck gilt als Hoffnungsträger der SPD und designierter Stolpe- Nachfolger.

Es fällt auf, dass Sie in jüngster Zeit Freundlichkeiten in Richtung PDS verteilen. Eine rotrote Annäherung?

Nein, ich gebe die Normalität in Ostdeutschland wieder. Dass die PDS eine demokratisch legitimierte Partei ist, muss man nach zehn Jahren akzeptieren. Es macht keinen Sinn, sie in die Schmuddelecke zu stellen.

Es ist Ihnen also ernst, wenn Sie die PDS als "strategische Option" für die SPD in Brandenburg bezeichnen?

Ich beschreibe damit nur die politische Realität in Brandenburg. Die SPD wird zur Landtagswahl 2004 zwei Möglichkeiten der Zusammenarbeit mit einer anderen Partei haben: Sie kann das mit der CDU oder mit der PDS tun. Es wäre falsch, sich ohne Not voreilig auf die CDU als Dauerkoalitionspartner festzulegen. Unabhängig davon ist es aber unser Ziel, die absolute Mehrheit wieder zu erlangen.

Hand aufs Herz, halten Sie die PDS derzeit wirklich für regierungsfähig?

Ich gebe zu, ich habe damit im Moment Schwierigkeiten: Zum einen, weil der Ausstieg von Bisky und Gysi eine weitaus stärkere Zäsur für diese Partei bedeutet als ein normaler Führungswechsel. Es ist nicht klar, wohin sich die PDS ohne ihre alten Spitzen entwickeln wird. Zum anderen, weil es auch in Brandenburg einen Streit um die Führung gibt. Ich sehe aber auch in der Sache gravierende Gegensätze: Bei Großprojekten wie dem Großflughafen, bei der Haushaltskonsolidierung und bei den angeschobenen Reformen klaffen die Meinungen auseinander.

Unüberbrückbare Gegensätze?

Wir haben uns vor einem Jahr mit großer Mehrheit und aus Überzeugung für eine Koalition mit der CDU entschieden, weil bestimmte notwendige Dinge mit der CDU deutlich besser durchsetzbar sind als mit der PDS. Deshalb gibt es für mich zur Zeit keine Option jenseits der CDU.

Als Oberbürgermeister arbeiten Sie nicht mit der PDS zusammen, obwohl Sie eigentlich mit wechselnden Mehrheiten regieren wollten?

Richtig ist, dass sich in der Stadtverordnetenversammlung eine sehr gute und verlässliche Kooperation der SPD mit der CDU und mit den Grünen herausgebildet hat. Dies hat auch damit zu tun, dass grundlegende Entscheidungen wie der Haushalt nur gegen den Widerstand der PDS getroffen werden können. Das ist mehr ein Problem der PDS.

Regierungschef Manfred Stolpe hält eine Zusammenarbeit mit der PDS auf Bundesebene für vorstellbar, falls die rot-grüne Koalition 2002 nur eine knappe Mehrheit haben sollte.

Ich sehe diese Notwendigkeit nicht am Horizont heraufziehen. Im Gegenteil: Die rot-grüne Bundesregierung arbeitet so, dass sie nach allen Regeln der Vorhersehbarkeit eine gute Mehrheit bekommen müsste. Solche Spekulationen lenken vom Wahlziel ab, eine klare Mehrheit für RotGrün zu bekommen.

Stolpe sieht die PDS 2002 bereits wieder im Bundestag. Sie auch?

Sie wird erhebliche Probleme haben, den Verlust von Bisky und Gysi zu kompensieren. Auch deshalb ist eine Kooperation mit der PDS auf Bundesebene für mich kein Thema.

Zurück zur großen Koalition in Brandenburg: SPD-Politiker machen aus ihrer Ernüchterung keinen Hehl?

Es ist normal, dass sich die SPD nach fünfjähriger Alleinregierung erst an die neue Konstellation gewöhnen muss. Erst recht, da die CDU den Anspruch erhebt, stärkste politische Kraft zu werden. Ernüchterung ist da nicht ungewöhnlich. Beide Partner haben sich inzwischen aufeinander eingespielt, so dass jetzt eine stabile Phase beginnen dürfte.

Dennoch ist das Bild des ersten Jahres nicht überzeugend: Rücktritte, Minister in Negativ-Schlagzeilen, Streit um die Asylpolitik. Dabei wollte es die Koalition besser machen als CDU und SPD in Berlin.

Die Koalition hat ordentlich gearbeitet: Mit der Kita-Reform, den Gemeinde- und Polizeireformen wurden unpopuläre, aber überfällige Projekte angepackt. Das sind Erfolge, die durch personelle Geschichten überdeckt wurden. Aber mit Berliner Verhältnissen, wo Stagnation und fehlende Entscheidungen beklagt werden, hat das nichts zu tun. Wir haben viele Entscheidungen getroffen, allerdings gab es dabei noch zu viele Querelen.

Sozialminister Alwin Ziel ist weiter im Amt, obwohl inzwischen feststeht, dass der Gewalttäter Schmökel nur aufgrund schwerer Versäumnisse in der Neuruppiner Nervenklinik entkommen konnte.

Mit dem Rücktritt des direkt zuständigen Staatssekretärs sind politische Konsequenzen gezogen worden. Im Übrigen ist die Schuldfrage noch nicht eindeutig geklärt. Das ist Sache der Untersuchungsbehörden.

Dennoch ist der Ruf des Sozialministers beschädigt. Auch das Ansehen von Justizminister Kurt Schelter hat nach einem Eingriff in die richterliche Unabhängigkeit gelitten. Wäre eine Kabinettsreform nicht angezeigt?

Ich halte eine Kabinettsreform zum jetzigen Zeitpunkt nicht für sinnvoll. Das tut man, wenn man strategisch umsteuern will, wenn man mittel- und langfristig etwas vor hat, was mit dem vorhandenen Personal nicht möglich ist. Beides kann ich nicht erkennen.

Es fällt auf, dass Sie sich als SPD-Landeschef in der Landespolitik zurückhalten?

Ich sehe meine Aufgabe nicht darin, mit spektakulären Aktionen auf mich aufmerksam zu machen. In den ersten Monaten nach meiner Wahl zum Parteichef habe ich mich darauf konzentriert, wieder für Stabilität und Selbstvertrauen in der SPD zu sorgen. Ich habe die meisten Unterbezirke bereist und wahrgenommen, dass die Stimmung deutlich besser wird. Jetzt muss sich die SPD strategisch auf die nächste Landtagswahl vorbereiten.

Muss die märkische SPD nicht schnellstens programmatische Defizite beheben?

Für 2001 sind zwei große Konferenzen geplant, die sich mit Bildung sowie mit Wirtschaft und Infrastruktur befassen werden. Im Jahr darauf wird es um Wissenschaft und Forschung sowie um Innen- und Rechtspolitik gehen. Wir wollen von den Parteitagen der hundert Themen wegkommen, zugleich aber auch unser Profil auf Gebieten schärfen, wo wir zur Zeit keine Minister stellen.

Die Koalition neigt dazu, sich zu verzetteln. Wenn Stolpe kein Machtwort spricht, müssten Sie es nicht öfter tun?

Ich habe immer dann ein klares Wort gesprochen, wenn ich es für nötig hielt. Zum Beispiel, als das Thema Asyl- und Kirchenpolitik eskalierte und die Dinge mit Innenminister Schönbohm ins Lot gebracht werden mussten. Aber ich bin nicht die Opposition und habe auch keinen übertriebenen Profilierungsehrgeiz.

Viele meinen, dass Sie nach der Bundesgartenschau 2001 ihren OB-Stuhl räumen und entweder einem Ruf des Kanzlers nach Berlin folgen oder noch vor der Landtagswahl Stolpe in Brandenburg beerben werden.

Ich habe 1998 die Potsdamer Aufgabe nicht übernommen, um nach kurzer Zeit die Segel zu streichen. Ich möchte eine Bilanz hinterlassen, die es mir erlaubt, weiter mit gutem Gewissen in Potsdam leben zu können.

Das ist kein klares Dementi. Ist die Halbzeit Ihrer regulären Legislatur - also 2002 - das Minimum als Oberbürgermeister für Sie?

Auf solche Szenarien lasse ich mich nicht ein. Erstens bin ich als Oberbürgermeister gewählt, mache diese Arbeit gern und habe noch viel vor. Zweitens haben wir einen Ministerpräsidenten, der unumstritten ist, der das Land prägt und der auf der Beliebtheitsskala Werte erhält, um die ihn mindestens vierzehn Regierungschefs der Bundesrepublik beneiden.

Und wenn Schröder Sie ruft?

Ich sehe mein Wirkungsfeld in Brandenburg.

Im Moment wird über den Umgang mit den Stasi-Akten prominenter West-Politiker wie Helmut Kohl gestritten, auch in der SPD. Stolpe stellt sich hinter, Höppner gegen Kohl, der eine Veröffentlichung verhindern will. Was meint der Ex-Bürgerrechtler Platzeck?

Zunächst sollten für jeden gleiche Maßstäbe gelten, ob Ost oder West, ob jung oder alt, ob Politiker oder Nicht-Politiker. Dennoch ist es ein schwieriges Abwägungsverfahren, da der Schutz von Persönlichkeitsrechten, öffentliches Interesse an der Aufarbeitung der Geschichte und die Philosophie des Stasi-Unterlagengesetzes berücksichtigt werden müssen. Deshalb halte ich es für richtig, dass sich jetzt ein hohes Gericht damit befasst, um die nötige Klarheit zu bekommen.

Wie lange wird die Gauck-Behörde überhaupt noch gebraucht?

Es gibt keinen Grund, jetzt über ihre Auflösung zu reden. Es geht darum, Mechanismen der gescheiterten SED-Diktatur aufzudecken und zu erforschen, die es künftig unmöglich machen, dass so etwas noch einmal passieren kann. Man kann sich nur wappnen, wenn man solche Mechanismen wirklich bis auf den Grund durchschaut. Das wird noch viele Jahre dauern.

Das heißt, die Gauck-Behörde wird es auch noch 20 Jahre nach der Wende geben?

Ich gehe davon aus. Vielleicht mit etwas veränderten Aufgabenstrukturen und Arbeitsweisen. Das wird die Zeit mit sich bringen. Aber ihre Arbeit wird in zwei oder drei Jahren nicht getan sein.

Matthias Platzeck (47) ist seit dem Sommer 2000 SP

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