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Brandenburg: Matthias Platzeck: Schwierige Zeiten für den Hoffnungsträger

Der "Königsmacher" Rainer Speer wird nicht dabei sein, wenn Matthias Platzeck am Sonnabend als neuer SPD-Landeschef in Brandenburg inthronisiert wird: Stolpes graue Eminenz, die auf SPD-Parteitagen als Chef der Antragskommission stets die Regie führte, verabschiedet sich zuvor zur Survival-Paddeltour ins kanadische Eismeer. Man darf dies als sicheres Indiz werten, dass auf dem Wahlparteitag in Oranienburg mit keinen Überraschungen zu rechnen ist.

Der "Königsmacher" Rainer Speer wird nicht dabei sein, wenn Matthias Platzeck am Sonnabend als neuer SPD-Landeschef in Brandenburg inthronisiert wird: Stolpes graue Eminenz, die auf SPD-Parteitagen als Chef der Antragskommission stets die Regie führte, verabschiedet sich zuvor zur Survival-Paddeltour ins kanadische Eismeer. Man darf dies als sicheres Indiz werten, dass auf dem Wahlparteitag in Oranienburg mit keinen Überraschungen zu rechnen ist. Erst recht, wenn sich Kanzler und Parteichef Gerhard Schröder tatsächlich wie bislang vorgesehen als zusätzliche Rückendeckung für seinen Liebling unter den Ost-Sozis in die märkische Provinz aufmachen sollte. "Die Wetten für Platzecks Wahlergebnis gehen ab 85 Prozent aufwärts", sagt ein Insider.

Dennoch, das Bild der Harmonie trügt: Selbst führende SPD-Politiker verhehlen nicht, dass der "SPD-Hoffnungsträger" bereits jetzt auf Wunsch des heimlichen Vorsitzenden Stolpe den Parteijob übernehmen muss, bleibt eine Notlösung. Er habe damit, so hat Platzeck erklärt, eine Zerreißprobe in der SPD vermeiden wollen. Eigentlich war vorgesehen, dass Steffen Reiche, mit zehn Amtsjahren derzeit dienstältester deutscher SPD-Landeschef, erst 2002 das Zepter übergibt, was die Kampfkandidatur von SPD-Fraktionschef Gunter Fritsch zunichte machte. So lautet zumindest die offizielle Lesart. Dass Platzeck schon jetzt ans Ruder geht, dass Reiche und Fritsch zu seinen Gunsten verzichteten, hat jedoch einen Begleitumstand, der ihm nicht unbedingt zugute gehalten wird: Er, der für politische Glaubwürdigkeit einst die "Goldene Kamera" erhielt, hatte zuvor eine Kandidatur ausgeschlossen. So sehr der "Preuße" Platzeck, der sich tatsächlich drängen ließ, betonen mag, "keine Lebensplanung" zu betreiben: Sein Ja hat nach Einschätzung von engen Weggefährten natürlich längst auch mit dem "strategischen Machtkalkül" eines Politikers zu tun, der genau weiß, was er will und zielstrebig darauf hinarbeitet: Es liegt auf der Hand, dass ein Korb für seinen Ziehvater womöglich den geordneten Übergang in das angestrebte Ministerpräsidentenamt hätte gefährden können. Der Termin freilich ist offen. Vielleicht doch schon 2003, damit Platzeck mit dem Amtsbonus 2004 in den Wahlkampf gegen Schönbohm ziehen kann? Stolpe hat erklärt, mindestens bis zum Ende der Legislatur durchzuziehen ...

Aber so sehr sich die Landes-SPD auch danach sehnt, unter Führung Platzecks das Trauma der verlorenen Alleinherrschaft zu überwinden und gegenüber der CDU wieder in die Offensive zu kommen: Im grauen Alltag nach der Oranienburger Krönung wird der neue Spitzenmann über viele Klippen balancieren müssen. Falls er überhaupt dazu kommt. Denn Platzeck hat zwar angekündigt, der Partei wieder "Seele" geben zu wollen, doch fehlt dem extrem überlasteten Potsdamer Stadtoberhaupt und Mitglied des SPD-Bundesvorstands dafür objektiv die Zeit. Auf dem Parteitag sollen, um dies auszugleichen, vier statt bisher zwei Stellvertreter gewählt werden. Weil aber die Personaldecke der 7500-Mitglieder-Partei, in der jeder dritte ein Amt bekleidet, so extrem dünn ist, stehen die Namen eher für Kontinuität denn für frischen Wind: Es sind die früheren Vizes Holger Bartsch (Landrat in Oberspreewald-Lausitz) und die Arbeitsmarktpolitikerin Heidrun Förster, von denen bislang wenig zu hören war. Neu: Die Finanzpolitikerin Dagmar Ziegler (noch ein unbeschriebenes Blatt) und Gunter Fritsch, der eingebunden sein soll.

Eine gewisse Ernüchterung scheint programmiert: Die für ihre diffuse Stimmungslage bekannte Landes-SPD erwartet auch, dass Platzeck dem umtriebigen CDU-Landeschef Jörg Schönbohm klar Paroli bietet. Steffen Reiche, so umstritten er ist, sammelte damit in den eigenen Reihen durchaus Punkte. "Die Wähler goutieren Streit in der Koalition nicht", sagt dagegen Platzeck, der als Pragmatiker zudem politisch mit Schönbohm in vielen Fragen auf einer Wellenlänge liegt. Und: Es fällt auf, dass er schon jetzt oft eher wie ein Landesvater denn als Parteichef auftritt, diplomatisch, unverbindlicher, vorsichtiger als früher, Stolpe sogar in der Diktion immer ähnlicher.

An der Basis nicht gerade ein Plus: Das Potsdamer Stadtoberhaupt, das umliegende Orte eingemeinden will, trägt auch noch Schönbohms umstrittene Gemeindereform mit. Platzeck muss damit umgehen, dass die Regionen in der SPD selbstbewusster werden, dass die mächtige "Potsdamer Mafia" misstrauisch beäugt wird. Mit seinem Versuch hinter den Kulissen, den Parteiapparat zu reformieren und einen Generalsekretär fürs Grobe à la Müntefering zu installieren, ist Platzeck kürzlich abgeblitzt. Ein Warnsignal?

Nicht zuletzt ist völlig offen, wie der künftige Landeschef die SPD-Ministerriege auf Trab bringen will, die mit Ausnahme von Finanzministerin Wilma Simon im Gegensatz zum CDU-Koalitionspartner ein schwaches Bild bietet: Parteistrategen registrieren mit Sorge, dass Agrarminister Wolfgang Birthler für die Bauern ein rotes Tuch ist, Hildebrandt-Nachfolger Alwin Ziel kaum wahrgenommen wird, dass Bauminister Hartmut Meyer Amtsmüdigkeit nachgesagt wird. Schwere Zeiten für Matthias Platzeck.

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