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Brandenburg: Mehr davon

ClausDieter Steyer schreibt als Vater von erwachsenen Kindern über Crash-Tests vor der Disco ANGEMARKT Heute Abend wieder zur Disco? Wenn sich die beiden unlängst erwachsen gewordenen Kinder auf den Weg in einer der großen Vergnügungshallen im Umland oder am Stadtrand machen, stellt sich ein mulmiges Gefühl ein.

ClausDieter Steyer schreibt als Vater von erwachsenen Kindern über Crash-Tests vor der Disco

ANGEMARKT

Heute Abend wieder zur Disco? Wenn sich die beiden unlängst erwachsen gewordenen Kinder auf den Weg in einer der großen Vergnügungshallen im Umland oder am Stadtrand machen, stellt sich ein mulmiges Gefühl ein. Hoffentlich kehren sie im Morgengrauen gesund zurück oder melden sich wenigstens telefonisch von einer Freundin.

Die Sorge kommt nicht von ungefähr. Jährlich sterben auf Brandenburgs Straßen fast 200 Jugendliche im Alter zwischen 16 und 25 Jahren, über 2000 werden schwer verletzt und müssen teilweise als Krüppel weiterleben. Diese Gruppe macht ein Drittel aller Verunglückten aus, obwohl sie nur zehn Prozent der gesamten Bevölkerung stellt. An jedem Wochenende bestimmen jugendliche Fahrer die Unfallmeldungen der Polizei, die Kreuze am Straßenrand künden von einem äußerst kurzen Leben vieler Verunglückter.

Bei eigenen Ermahnungen, nicht zu schnell zu fahren, keinen Alkohol zu trinken, sich kein Wettrennen zu liefern, sich anzuschnallen, das Auto nicht mit sechs oder sieben Personen zu überladen oder stets Rücksicht walten zu lassen, schalten Sohn und Tochter auf Durchgang. Sie wüssten doch alles aus der Fahrschule und das Auto sei doch bei einem – natürlich unverschuldeten Unfall – bestimmt sicher. Vielleicht rührt ihre Sorglosigkeit auch von Computerspielen her. Für einen Crash gibt es da mitunter sogar noch Pluspunkte. Auch im Film kennen wahre Helden keine Furcht.

Deshalb sind solche Aktionen wie der Crash-Test vor der Großraumdisco in Wildau sehr zu begrüßen. Der Knall, die Stunts, die vermeintlich Verletzten oder die Reste der Autos nach dem Zusammenstoß durchbrechen vielleicht die aus Reizüberflutung aufgebaute Abwehrhaltung. Die Polizei und andere Aktive sind nur zu ermuntern, weiterhin für solchen Anschauungsunterricht ihre Stuben oder Streifenwagen zu verlassen. Am besten schnappen sie sich dafür noch jugendliche Idole als Partner, um ohne erhobenen Zeigefinger überhaupt einen Draht zu den Fahrern und ihren Freunden zu finden.

An Ideen fehlt es gerade im Land Brandenburg nicht, wie die mit prominenten Schauspielern und Sängern besetzte Aktion „Blauer Engel“ oder das „Fifty-Fifty-Taxi“ mit Fahrscheinen zum halben Preis beweisen. Doch in den Discos ist darüber derzeit viel zu wenig zu hören. Durch die Haushaltssperre fehlt es am Geld für diese so genannten freiwilligen Aufgaben der Behörden. Wenigstens die Polizeikontrollen an den Straßen vor den Treffpunkten der Jugend sind von den Einsparungen noch nicht betroffen, wie die eigenen Kinder bestätigen. Eine abschreckende Wirkung geht von diesen Stellen kaum noch aus, zumal sie sich im Handy-Zeitalter leicht umfahren lassen. Das leibhaftige Erleben eines Crashtests dürfte dagegen länger in Erinnerung bleiben.

Und sei es auch nur bis zum nächsten Wochenende.

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