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Brandenburg: Ministerpräsident Schönbohm

Der CDU-Chef nutzte den Sommer und die Urlaubsvertretung des Amtsinhabers Matthias Platzeck zur Profilierung

Potsdam. Kein Tag ohne Jörg Schönbohm in den Medien. Drei heiße Sommer-Wochen lang dominierte der Vize-Ministerpräsident, Innenminister und CDU-Parteichef das politische Leben in Brandenburg. Sein Kalender war voll mit Interviews, Pressekonferenzen, Besuchen in Landkreisen, Waldbrand-Einsätzen… Dabei immer wieder provokante Botschaften für den Koalitionspartner SPD: Keine Härtefall-Kommission für Asylbewerber, keine Ausgabenkürzungen bei der Polizei, keine Zustimmung Brandenburgs zur Steuerreform ohne Finanzausgleich. Zuletzt noch eine persönliche Attacke gegen Berlins Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit, dem er vorwarf, sich zu viel um Schwule, zu wenig um Familien zu kümmern.

Schönbohm hat die Zeit, in der Regierungschef Matthias Platzeck (SPD) auf Teneriffa entspannte, weidlich genutzt, um sich und die CDU in Position zu bringen: Im Oktober sind Kommunalwahlen.

Die SPD dagegen, so schimpfen Sozialdemokraten, war „praktisch nicht zu vernehmen“. Ob SPD-Fraktionschef Gunter Fritsch oder Landesgeschäftsführer Klaus Ness – die Führung hatte sich gemeinsam mit Platzeck in den Urlaub verabschiedet. In Schönbohms Umgebung frohlockte man: „Die SPD macht Ferien.“ Mit einer Ausnahme: Staatskanzlei-Chef Rainer Speer, Platzecks Vertrauter, brachte die Verhandlungen über Lohnverzicht im öffentlichen Dienst zum Erfolg. Er – nicht Platzeck selbst – verkündete auch die Nachricht vom überraschenden Durchbruch bei den Gesprächen. „Das wäre Schönbohm nie passiert“, wunderte sich ein CDU-Mann.

Tatsächlich bestimme Speer als „graue Eminenz“ die Richtlinien der Politik, spottet nun prompt der „Spiegel“ und attestiert Platzeck außerdem mangelnden Arbeitseifer, Profillosigkeit und Nachlässigkeit. Er stehe nicht im Stoff, kenne Kabinettsvorlagen nicht, posiere dafür auf diversen Festivitäten mit seiner Freundin. Platzeck – „das fröhlichste Placebo, das den Märkern je verabreicht wurde.“

Platzeck reagierte am Montag, seinem ersten offiziellen Arbeitstag nach dem Urlaub, betroffen auf den Verriss: „Der Vorwurf mangelnden Arbeitseifers trifft mich wirklich.“ Sein Terminkalender sei auf Monate bis in die Nacht hinein ausgebucht. Auch gehe er ungern und selten zu Empfängen: „Meine Mitarbeiter müssen mich förmlich prügeln.“ Von Teneriffa aus habe er jeden Tag bei einer Schaltkonferenz die Verhandlungsschritte mit den Gewerkschaften besprochen. In Platzecks Umfeld rätselt man, welche Quellen in der SPD den eigenen Vorsitzenden und Ministerpräsidenten schlecht machen. Jedenfalls sei der Bericht „völlig überzogen“.

Gleichwohl ist seit geraumer Zeit ein gewisses Unbehagen in Teilen der SPD zu spüren: Die CDU liegt in den Umfragen seit Monaten gleichauf mit den einst deutlich dominierenden Sozialdemokraten. Von der persönlichen Popularität Platzecks im Land kann die SPD nicht profitieren, und die Nervosität der Genossen vor der Kommunalwahl und der Landtagswahl 2004 wächst: Die Partei setze zu wenig Akzente, die strategische Arbeit werde vernachlässigt, wird geklagt. „Es gibt keine ernsthafte Sach- und Programmarbeit“, sagt ein Vorstandsmitglied. Deshalb möchten manche Parteivorsitz und Ministerpräsidentenamt – wie unter Manfred Stolpe – wieder trennen. Andere plädieren dafür, nach CDU-Modell einen Generalsekretär zu installieren, der die Rolle des „Wadenbeißers“ übernehmen könnte. Landesgeschäftsführer Klaus Ness spricht von einer „schwierigen Zwischenetappe“, die jetzt zu Ende gehe.

Platzeck habe in seinem ersten Jahr „einen Mentalitätswechsel einleiten müssen – weg von der Ära Stolpe“ – und zwar sowohl im Lande, aber eben auch in der Partei. Aber auch Ness räumt ein, dass die SPD jetzt deutlicher machen müsse, wohin der Weg gehe und wie das „Projekt Platzeck“ aussehen soll.

Michael Mara

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