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Brandenburg: Mobile Eisbahnen machen Schlittschuhläufern Beine

Stadien ohne gewisses Etwas verlieren immer mehr Gäste

Links, rechts, Schlittschuhschritt, links, rechts, da gleiten, sausen, holpern oder stolpern sie übers glatte Weiß, die Schlittschuhläufer, die die Saison einläuten. Auf Dauerfrost ist man dank Eislaufbahnen ja nicht angewiesen, und seit vergangenem Jahr ist auch die Eislaufbahn auf nichts mehr angewiesen: Sie lässt sich kurzerhand dort aufbauen, wo die Schlittschuhläufer sind. Etwa auf dem Gelände der Kulturbrauerei.

Seit Freitag ist die Eisbahn wieder in Betrieb, teilte der Soda-Club als Veranstalter mit. Und es gibt neben der ordinären Im-Kreis-Fahrerei auch Eishockey, Curling und Slalom. Außerdem stehen ein Casting zur IcePrincess und zum IcePrince sowie ein Theater on Ice auf dem Programm. Und drumherum leuchtet, strahlt und duftet wie im Vorjahr der Weihnachtsmarkt, der an die schwedische Heilige Lucia, die „Lichtbringerin“, erinnert. Ab 29. November gibt es auch Musik, Tanz, Bräuche und Kulinarisches aus Skandinavien. Und alle Gebäude auf dem Kulturbrauereigelände sollen im nordischen Stil geschmückt werden und wie ein Polarlicht erstrahlen.

Ungewohnter Lichterglanz ist auch Unter den Linden zu sehen. Dort strahlt eine mobile Eisbahn, die der Telefonkonzern Vodafone für die Wintermonate aufbauen ließ. Dass man etwas Besonderes bieten muss, um die Eisläufer zu mobilisieren, wissen inzwischen die Betreiber der stationären Schlittschuhbahnen: Das private Eisstadion an der Lankwitzer Leonorenstraße betreibt seit drei Jahren gezielt Marketing. Mit Erfolg. Im Vergleich zum Saisonstart 2001 freut sich Geschäftsführer Klaus Scherrieble schon jetzt über 20 Prozent mehr Besucher. Weil es in Lankwitz locker und familiär zugehe, wie Scherrieble sagt. Kinder können auf der Bahn Geburtstag feiern, man bemühe sich um Gemütlichkeit - und das nicht nur in der Après-Schlittschuhbar.

Auch im Horst- Dohm-Stadion in Wilmersdorf sind die Besucherzahlen konstant. Das liegt an seinem großen Eislaufring, eine 400-Meter-Bahn, die es sonst nirgendwo gibt. Hier kommt man nicht nur zum Spaß her, sondern um Sport zu treiben. Wie die beiden Schüler Stefan Drechsler und Robert Henze. Jeden Abend drehen sie ihre Runden. „Im Sommer gehen wir ins Olympiastadion zum Schwimmen, im Winter treffen wir uns jeden Tag hier zum Schlittschuhlaufen.“ Und das richtig schnell. Vor allem in der Woche könne man schön ungestört seine Runden drehen, beschleunigen, bremsen und Drehungen üben.

Eislaufstadien, die sich nichts einfallen lassen, leiden unter ausbleibendem Publikum. „In der Wintersaison 1995 hatten wir noch rund 160 000 Besucher, im vergangenen Jahr waren es weniger als 100 000“, sagt etwa der stellvertretende Leiter des Weddinger Erika-Heß-Eisstadions, Jörg Minet. Jedes Jahr gingen dem Stadion fünf Prozent Besucher verloren – doch so rapide wie nach dem diesjährigen Saisonstart schrumpften die Zahlen noch nie. Minet: „2001 kamen durchschnittlich 500 Besucher pro Tag, zur Zeit sind es gerade mal 330.“

Eine Erklärung für den bundesweiten Trend fehlt den Betreibern. „Wahrscheinlich hängt es mit den Computern zusammen“, sagt Jörg Minet in Wedding. „Anstatt aufs Eis zu gehen, spielen die Jugendlichen heute lieber am PC.“ Schließlich waren rund 90 Prozent der Besucher des Weddinger Eisstadions junge Leute. Man traf sich auf dem Eis. Doch warum heute nicht mehr? „An den Eintrittspreisen kann es nicht liegen, die sind seit Jahren kaum teurer geworden“, sagt Minet. Für drei Stunden Eislaufen zahlen Kinder und Schüler 1,65 Euro, Erwachsene sind mit 3,30 Euro dabei.

Eislauflehrer Dirk Beyer erklärt sich den Rückgang damit, dass es lange nicht mehr richtig kalt war: „Das Eislaufen ist dadurch in Vergessenheit geraten.“ Vielleicht hätten die Rollerblades auch die Schlittschuhe verdrängt, weil sie die Freude am Dahingleiten das ganze Jahr über ermöglichen. Eine Idee, wie sich der Abwärtstrend stoppen lässt, wird im Erika-Heß-Eisstadion noch gesucht. Eigentlich wollte der Bezirk Werbeplakate in U-Bahnhöfen aufhängen, aber die Mittel dafür wurden gestrichen.

Annekatrin Looss

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