zum Hauptinhalt

Brandenburg: Mühsame Wahrheitsfindung

21 Verhandlungstage, 22 Zeugen – aber der Prozess gegen die XY-Bande kommt nur langsam voran

Neuruppin - Die junge Frau hatte sogar die Anordnung ihres Arztes zur Bettruhe nach einer Operation ignoriert. „Ich will die Angelegenheit hinter mich bringen“, sagte die 20-Jährige zu Beginn ihrer Aussage im Prozess gegen die XY-Bande. Neun Angeklagte müssen sich im größten Brandenburger Prozess gegen organisierte Kriminalität verantworten.

Vor sechs Jahren kam die Frau mit Drogen in Kontakt. In einem von einem Sozialprojekt betreuten „Haus für junge Mädchen“ in Neuruppin habe sie zuerst gekifft, dann Ecstasy, LSD und schließlich Kokain konsumiert. Als Lieferanten benannte sie zwei im Gerichtssaal sitzende Angeklagte, darunter den als Chef der Bande im Mittelpunkt stehenden Olaf K. Doch dann musste sie die Aussage abbrechen. Die vom langen Drogenkonsum gezeichnete Zeugin krümmte sich vor Schmerzen und verließ den Gerichtssaal.

Von Schicksalen wie dem der heute arbeitslosen Frau hörten die Richter im Laufe der bisher 21 Verhandlungstage häufiger. Zahlreiche der 22 Zeugen bestätigten, dass die Bande zwischen 1999 und einer Razzia im August vergangenen Jahres Neuruppin mit einem dichten Netz aus Kokainhandel, illegalem Glücksspiel und Gewalt überzogen hatte.

Ein Teilgeständnis legte Olaf K. ab und gab den Handel mit insgesamt 22 Kilogramm Kokain und einen Gewinn von 250000 Euro zu. Er war zum größten Immobilieneigentümer, zum Finanzier des Fußballlandesligisten Union, zum Chef eines Yachthafenprojektes und zum CDU- Stadtrat aufgestiegen. Nach der Razzia im August 2004 verblüffte zunächst die hohe Zahl von rund 100 Personen, gegen die Ermittlungen liefen. Der Prozess zeigte aber dann, wie weit die Bande im öffentlichen Leben Neuruppins verankert war.

Wie mühsam die Staatsanwaltschaft vorankommt, zeigt ihre gestrige Mitteilung zum „XY-Komplex“: Ein 37-jähriger Geschäftsmann musste erst am Freitag in Untersuchungshaft. Er sei maßgeblich am illegalen Glücksspiel in acht Spielotheken beteiligt gewesen und habe Steuern in ganz erheblichem Umfang hinterzogen.

Der Prozess ging gestern in die Sommerpause. Ein Urteil wird in diesem Jahr nicht mehr erwartet.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false