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Brandenburg: "Museum der deutschen Lebensreform": Ohne Parkplatz im Investitionsstau

Die Zukunft des Woltersdorfer Fidus-Hauses sieht zur Zeit ziemlich düster aus. Anfang Dezember sollte in der einstigen Stätte der Kraft und Erbauung des Lichtanbeters und Jugendstilmalers Hugo Höppner (1868-1948), alias Fidus, ein Museum der deutschen Lebensreform eröffnet werden.

Die Zukunft des Woltersdorfer Fidus-Hauses sieht zur Zeit ziemlich düster aus. Anfang Dezember sollte in der einstigen Stätte der Kraft und Erbauung des Lichtanbeters und Jugendstilmalers Hugo Höppner (1868-1948), alias Fidus, ein Museum der deutschen Lebensreform eröffnet werden. Vor zwei Jahren initiierten das Brandenburger Kulturministerium und der Landkreis Oder-Spree das Museumsprojekt. Die Vorbereitungen in dem sorgfältig restaurierten Räumen liefen auf Hochtouren. Doch fünf Wochen vor dem ursprünglich für diese Tage geplanten Eröffnungstermin legte das Land die fälligen, längst genehmigten Fördermittel auf Eis. Weil das jetzt noch im Privatbesitz befindliche Haus als öffentliches Museum umgenutzt werden soll, müssen laut brandenburgischer Bauordnung sechs Parkplätze geschaffen oder abgelöst werden. Eine Provinzposse?

Das Museum kann die geforderten 60 000 Mark nicht aufbringen. In den von Bund, Land und Landkreis finanzierten Fördermitteln von rund 500 000 Mark ist eine solche Position nicht vorgesehen. "Schon seit Mai aber ist allen Beteiligten dieses Problem bekannt", berichtet der Projektleiter des Museums Jürgen Roland, der nun den Rechnungshof des Landes eingeschaltet hat. Derweil feilschen Land und Gemeinde um den Fortgang der Dinge. Für Bürgermeister Wolfgang Höhne, in dessen Ermessensspielraum auch ein Verzicht auf derartige Forderungen liegt, ist diese Summe Einsatz im Poker um die Finanzierung des laufenden Betriebes des Hauses. "Wenn sich Land und Landkreis beteiligen, sind wir bereit, dieses Geld als Fördersumme mit einzubringen".

So aber läuft der Deal nicht. Für den Staatssekretär Christoph Helm stilisiert sich der Fall zum Indikator für das wahre Interesse der Gemeinde an diesem Museum. "Dieses Problem muss eigenständig von der Gemeinde gelöst werden, ohne dass wir schon wieder in Zusagen gepresst werden", heißt es aus Potsdam. Die Gemeinde Woltersdorf habe signalisiert, auf eine Ablöse zu verzichten, wenn Land und Kreis eine gesicherte Finanzierung für die nächsten Jahre zusagen, so Roland. Der Kreis signalisierte zwar Unterstützung. Das Land will aber die laufenden Kosten - ab 2001 etwa 130 000 Mark pro Jahr - nicht tragen. Immerhin soll in den kommenden Tagen, so sagt ein Sprecher des Potsdamer Kulturministeriums, ein weiterer Abschlag der Bundesmittel ausgezahlt werden, aber nicht die gesamte Summe. Ein Scheitern des Projekts wegen fehlender Parkplätze wäre völlig unverständlich, sagt Roland und zeigt hinaus auf die Köpenicker Straße, wo kaum ein Auto parkt. Selbst an einem Tag der offenen Tür im Dezember 1999 und zum Denkmaltag in diesem September sei die Allee niemals zugeparkt gewesen. Die meisten Besucher seien ohnehin mit der Straßenbahn Rahnsdorf-Woltersdorf gekommen, deren Haltestelle keine zehn Minuten entfernt ist.

"Wenn es zu keiner Klärung kommt, werden hier 200 000 Mark bereits verausgabter Spenden- und Steuergelder gegen die Wand gesetzt", mahnt Roland Höhne. Abgesehen vom finanziellen droht dann aber auch ein kultureller Verlust.

Fidus ("Der Getreue") hatte das dreigeschossige Gebäude mit mehreren Ateliers und einem Wohnbereich nach eigenen Entwürfen 1907 bis 1909 bauen lassen und lebte hier bis zu seinem Tod. Die Renovierung des im so genannten Heimatstil errichteten Hauses auf einem idyllischen Waldgrundstück wurde im November 1998 mit dem Brandenburgischen Denkmalpreis gewürdigt wurde; die Villa ist seit 1977 denkmalgeschützt.

Die Eröffnungsausstellung sollte einen ersten Überblick über verschiedene Reformbewegungen in Deutschland geben und mit den einstigen Bewohnern des um 1909 erbauten Hauses bekannt machen. Vor allem natürlich mit Fidus in seiner Rolle für die deutsche Lebensreformbewegung. Diese war Ende des 19. Jahrhunderts als Antwort auf die zunehmende Industrialisierung aufgekommen. Mit Vegetarismus, Naturheilkunde, Nacktkultur, Antialkoholbewegung und Naturschutz sollte eine grundsätzliche Erneuerung der gesamten Lebensweise erreicht werden. Wer weiß schon noch, dass viele heute bekannte Produkte von den Kelloggs Cornflakes bis zum Weckglas aus dieser Bewegung heraus entstanden waren, sagt Roland. Fidus steht in dieser Ausstellung vor allem als schillernde, zeitweilig irrlichternde Gestalt auf dem Weg aus der frühmodernen Lebens- und Sinnkrise und Vorläufer heutiger Existenzalternativen.

Hanne Bahra

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