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Brandenburg: Neuer Skandal im Gefängnis von Brandenburg

Die Anstaltsärztin und zwei leitende Mitarbeiter schickten ihre eigenen Blutproben an ein Labor – unter den Namen von Häftlingen

Von Sandra Dassler

Brandenburg (Havel). „Die Nerven liegen blank“, sagt Burghard Neumann, „sowohl in Potsdam als auch hier, in der Justizvollzugsanstalt Brandenburg.“ Kein Wunder nach der gestrigen Pressemitteilung, in der das Justizministerium über den „Verdacht unlauteren Verhaltens im medizinischen Bereich“ des Brandenburger Gefängnisses informierte: Eine Anstaltsärztin und zwei leitende Mitarbeiter des Krankenpflegedienstes sollen sich mindestens zweimal gegenseitig Blutproben entnommen haben, die sie auf Kosten der Justizvollzugsanstalt (JVA) in einem Fremdlabor untersuchen ließen. Verbucht wurden die Proben unter den Namen von Gefangenen. Der Ärztin wird außerdem vorgeworfen, über längere Zeit ein Medikament für die Anstaltsapotheke bezogen, es aber selbst verbraucht zu haben.

Burghard Neumann ist der stellvertretende Landesvorsitzende des Bundes der Strafvollzugsbediensteten Deutschlands (BSBD) und gleichzeitig im Personalrat der JVA Brandenburg, die in den vergangenen Monaten häufig in die Schlagzeilen geriet. So ließen sich angeblich Bedienstete in der Gefängnisschlosserei von den Gefangenen unentgeltlich oder zum Schnäppchenpreis diverse Gegenstände für ihren Privatverbrauch anfertigen: Räucheröfen aus Edelstahl, Gartengrills, sogar Hieb- und Stichwaffen. Die Beschuldigten wurden suspendiert, die Staatsanwaltschaft ermittelt.

Etwas später erregten Recherchen über das Verhalten einiger Gefängniswärter zu DDR-Zeiten Aufsehen. In beiden Fällen hatte sich Burghard Neumann gemeinsam mit dem BSBD gegen „gewisse Überspitzungen in der Darstellung“ zur Wehr gesetzt. Im aktuellen Fall hält er die Reaktion des Ministeriums und die Maßnahmen der Gefängnisleitung angesichts der Vorgeschichten für absolut korrekt: Sowohl die Ärztin als auch ein verbeamteter Pflegedienstmitarbeiter wurden sofort beurlaubt und ein Angestellter im Pflegedienst fristlos gekündigt. Neumann: „Wenn die Vorwürfe stimmen, ist es Betrug – und das in einer Einrichtung, wo Menschen unter anderem wegen Betrugs einsitzen.“

Wie der Tagesspiegel erfuhr, waren die Vorwürfe gegen Ende letzter Woche bekannt geworden – durch die Aussagen anderer Bediensteter. Die Gefängnisleitung hatte sofort reagiert und gegen die Beurlaubten außerdem ein Hausverbot verhängt. „Wir ermitteln zur Zeit die genauen Tatumstände“ sagte die Sprecherin der Potsdamer Staatsanwaltschaft, Sigrid Komor, „haben allerdings die Beschuldigten noch nicht gehört. Nach dem jetzigen Ermittlungsstand läuft alles auf ein Vermögensdelikt hinaus.“ Komor widersprach zugleich Spekulationen, wonach der mutmaßliche Betrug im Zusammenhang mit einer Krankheit oder Rauschmitteln steht. Wie hoch der Schaden sei, könne noch nicht beziffert werden, und über die Motive der Handelnden lägen keinerlei Erkenntnisse vor. Bislang müsse man davon ausgehen, dass sie ausschließlich finanzieller Art seien. Auch Burghard Neumann hat keine Erklärung für das Verhalten seiner Kollegen: „Warum man wegen der Kosten einer Blutprobe oder eines Medikaments seine berufliche Position aufs Spiel setzt, ist mir völlig schleierhaft.“

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