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Brandenburg: Nicht noch ein Abstieg

Energie Cottbus könnte sich heute aus dem Profifußball verabschieden. Für viele Menschen in der Lausitz wäre das eine Katastrophe

Von Sandra Dassler

Cottbus - Vor acht Jahren war alles ganz anders. Handwerksmeister Thomas Schulz erinnert sich: „Damals feierte Energie Cottbus den Aufstieg in die 2. Bundesliga, in der ganzen Region war totale Aufbruchstimmung.“ Am heutigen Sonntag zittert nun die Gegend davor, dass sich Cottbus beim Spiel in Karlsruhe aus dem Profifußball verabschiedet.

Damals war der heute 42-jährige Schulz noch optimistisch. Er gründete einen Heizungs- und Sanitärbetrieb, stellte zehn Mitarbeiter ein, hatte genügend Aufträge, weil sich viele Menschen ein Häuschen bauten. Schulz kaufte sich damals auch eine Dauerkarte für das Stadion der Freundschaft, jubelte und litt mit seinem Verein, der sich in der 2. Liga wacker schlug und sich später sogar drei Jahre lang in der 1. Liga behauptete.

Inzwischen ist von der Aufbruchstimmung nichts mehr geblieben. Schulz hat sieben seiner zehn Mitarbeiter entlassen müssen, weil die Aufträge ausblieben. „Es gab in all den Jahren keine einzige große Industrieansiedlung in der Lausitz“, sagt er. „Dadurch ist die Kaufkraft stark zurückgegangen, viele kleine Handwerksbetriebe haben nicht überlebt.Das Vertrauen der Menschen in die Zukunft ist weg, das Selbstbewusstsein auch. Wenn sich jetzt auch noch ,Energie’ aus dem bezahlten Fußball verabschiedet, gehen nicht nur im Stadion der Freundschaft die Lichter aus.“ Zwar müsste es, sagen die Fans, schon mit dem Teufel zugehen, wenn die Mannschaft im letzten Spiel in Karlsruhe absteigt. Aber wo die Grundstimmung erst einmal pessimistisch ist, rechnen die Menschen mit allem. „Ihr müsst es aus eigener Kraft schaffen“, hat deshalb der neue Präsident von Energie, Michael Stein, den Spielern mit auf den Weg gegeben. Er ist Präsident im Fußballklub geworden, weil es dort es seit Monaten Auseinandersetzungen gab. Die Hauptsponsoren zweifelten am Management und drehten den Geldhahn zu. In der vergangenen Woche wurden die seit langem geplanten personellen Änderungen vorgenommen, die ein besseres Wirtschaften garantieren sollen. Chef desVerwaltungsrats ist jetzt Ulrich Lepsch, der Vorstandsvorsitzende der Sparkasse Spree-Neiße. Er stellt sicher, dass der Verein seine finanziellen Verbindlichkeiten erfüllen und für die kommende Saison planen kann. „Damit ist die wirtschaftliche Basis für die Erhaltung des Profifußballs in Cottbus gesichert“, sagt Ute Kaiser, eine 43-jährige Angestellte der Sparkasse Spree-Neiße und langjährige Anhängerin von Energie. Wie viele ihrer Kolleginnen macht auch sie sich Sorgen um die Zukunft der Lausitz: „Aus den Grenzgebieten um Guben und Forst wandern vor allem junge Menschen ab.“ Der 20-jährige Sohn von Ute Kaiser ist an diesem Sonntag mal wieder in Cottbus. Auch er ist weggegangen, weil er hier keine geeignete Lehrstelle fand. In Hannover lässt er sich nun zum Bürokaufmann ausbilden: „Da werde ich oft angesprochen, wenn ich sage, dass ich aus der Lausitz bin. Viele wissen sofort, dass da Energie Cottbus herkommt. Das macht einen schon ein wenig stolz.“

In der Lausitz erzählen alle, wie wichtig Profifußball ist. Spree-Neiße-Landrat Dieter Friese (SPD) ist Mitglied im Verwaltungsrat von Energie. Er meint: „Die Menschen hier haben in den vergangenen Jahren viel einstecken müssen. Die Mannschaft war und ist ein Hoffnungsträger. Wenn sie absteigt, werden das viele als neuerliche und persönliche Katastrophe empfinden.“

So wird dieser letzte Spieltag eine Zitterpartie. Vor allem für die Fans, die sich noch gut daran erinnern, dass ausgerechnet mit dem heutigen Gegner Karlsruhe einst der Höhenflug der Lausitzer begann: 1997 verloren die Badener das DFB-Pokal-Halbfinale in Cottbus mit null zu drei. Cottbus fuhr zum Finale nach Berlin und stieg im selben Jahr in die 2. Liga auf. Vor acht Jahren war eben alles ganz anders.

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