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Oranienburg: Fahrverbot für Busse wegen Blindgängern

In Oranienburg werden Busse dauerhaft umgeleitet, weil es zu Explosionen kommen könnte. Die Erschütterungen könnten Blindgänger aus dem Zweiten Weltkrieg hochgehen lassen.

Oranienburg – Die große Zahl von Blindgängern aus dem Zweiten Weltkrieg hat in Oranienburg zu einer drastischen Konsequenz geführt. Vom 15. August an dürfen Busse der Oranienburger Verkehrsgesellschaft nicht mehr durch die Straßen mit den höchsten Gefährdungsklassen fahren, die Professor Wolfgang Spyra von der Technischen Universität Cottbus in einem Gutachten ermittelt hatte. Damit will die zuständige Verwaltung des Kreises Oberhavel die Risiken einer Selbstdetonation der Blindgänger durch Erschütterungen zumindest durch die bis zu 20 Tonnen schweren Busse verringern. Betroffen sind vier von acht der Buslinien. Lastwagen dürfen weiterhin verkehren. Allerdings wird eine komplette Sperrung von Teilen der Innenstadt für Lastwagen geprüft. „Der Landkreis als zuständige Behörde kommt seiner Verantwortung für Leib und Leben nach“, begründete der stellvertretende Landrat Michael Garske diesen in Deutschland bislang einmaligen Schritt. Der Kreis erfülle eine Handlungsempfehlung des Gutachters, sagte Garske. Dieser hatte in seiner viel beachteten Untersuchung von 326 Großbomben gesprochen, die noch in der Oranienburger Erde liegen.

Die von der Sperrung betroffenen Haltestellen liegen in der Nähe des Bahnhofs, der aber noch mit Omnibussen erreichbar bleibt. Auf rund 865 000 Euro schätzt die Verkehrsgesellschaft die jährlichen Mehrkosten, da sie durch die Umleitungen zusätzliche Fahrer einstellen und zwei neue Busse anschaffen muss.

In Oranienburg selbst stoßen die Busfahrverbote nicht auf ungeteilte Zustimmung. Man wolle auf jeden Fall verhindern, die Innenstadt lahmzulegen, hieß es aus der Stadtverwaltung. Da Fahrzeuge der Müllabfuhr und andere Lastwagen weiterhin die gefährlichen Stellen passieren dürften, müssten die jetzt vom Kreis angeordneten Schritte kritisch beurteilt werden.

Wie berichtet, war Oranienburg wegen der hier ansässigen Rüstungsbetriebe Ziel von heftigen Bombenabwürfen in den letzten Kriegsmonaten. Laut dem Gutachten von Professor Spyra war etwa die Hälfte der abgeworfenen 10 000 Bomben mit einem chemischen Langzeitzünder ausgestattet. Ein Zelluloidblättchen sollte sich erst mehrere Stunden oder Tage nach dem Abwurf auflösen und den Schlagbolzen freigeben. Doch die Konstruktion funktionierte oftmals nicht, so dass die Bomben heute noch im Boden liegen und jederzeit hochgehen können. Die Blättchen werden spröde und lösen sich von selbst auf. Seit 1991 wurden in Oranienburg fast 160 Großbomben geborgen, 15 von ihnen mussten an Ort und Stelle gesprengt werden. Nur in zwei Fällen kam es bislang zu einer Selbstdetonation, mit zum Glück geringen Schäden.

Das Brandenburger Innenministerium, von dem die Stadt immer wieder Hilfe wegen der Weltkriegsbomben eingefordert hatte, sieht sich durch den jüngsten Schritt der Kreisverwaltung nicht unter Druck gesetzt. „Oranienburg steht wegen seiner in Deutschland einmaligen Situation auf der Prioritätenliste der Kampfmittelberäumer schon lange ganz oben“, sagte Ministeriumssprecher Ingo Decker auf Nachfrage. „Mehr als ein Drittel der jährlich für die Bombensuche und -entschädigung ausgegebenen neun Millionen Euro gehen in die Stadt.“ Falls die Mittel nicht ausreichen, wolle der Innenminister Rainer Speer (SPD) beim Finanzministerium trotz der vor einigen Wochen verhängten Haushaltssperre weitere Summen für die Kampfmittelberäumung erwirken, sagte Decker.

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