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Brandenburg: Osten ohne Ostalgie: Die DDR im Museum

In Eisenhüttenstadt wird Alltagskultur diesseits des Retro-Trends dokumentiert

Eisenhüttenstadt. So sehr die DDR heute auf allen Kanälen wiederentdeckt und -erweckt wird – sie bleibt verschwunden. Kaum eines der Dinge, die ihren Alltag bestimmten, ist in Gebrauch geblieben. All die vertrauten Objekte des gewöhnlichen Lebens: weggeworfen, verscherbelt, ersetzt. Ein Museum aber hat sie gesammelt – und dort, ganz am Rande der Republik, bis heute bewahrt.

50000 Stücke sind im „Dokumentationszentrum Alltagskultur der DDR“ in Eisenhüttenstadt zusammengetragen. Ein Fundus, der weiter und tiefer reicht als alle Ostalgie-Shows im Fernsehen – und authentischer ist. Gerade in diesen Wochen ist der Zulauf hoch, von Besuchern aus Ost und West fast in gleicher Zahl. Die einen, so liest man im Gästebuch, amüsiert und erfreut über das „Bewahren unserer Erinnerung“; die anderen voll Neugier, aber auch froh, „so etwas nicht erlebt haben zu müssen“.

Dabei, so zeigt die in einer früheren Kinderkrippe in der Erich-Weinert-Allee untergebrachte Ausstellung, existierte in der DDR nicht nur Mangelwirtschaft. Man erinnert sich an diesen alten Trick der Kaufhallen-Chefs bei vollen Lagern: Sie stellten vor die Berge aus Tüten mit Speisesalz oder Rübenzucker nach erfolgreicher Ernte einfach das Schild „Bitte nur einmal nehmen“ – und wussten den raschen Abverkauf gesichert. Denn die Kunden würden nun erst recht zugreifen, gleich mehrmals das Geschäft aufsuchen und obendrein Bekannte alarmieren.

Mit Kopfschütteln und lautem Lachen reagieren die Besucher auf ein nachgestelltes Klassenzimmer mit heute fast völlig aus dem Sprachgebrauch verschwundenen Begriffen. Da taucht die Patenbrigade wieder auf, der Wandzeitungsredakteur, der Pioniernachmittag, das Milchgeld oder das Elternaktiv. Originaldokumente erinnern aber auch an den zinslosen Kredit von 5000 Mark für junge Eheleute. Jedes Neugeborene verringerte die Rückzahlungssumme. Ein „Handbuch für den Sportorganisator“ liegt neben dem „Ausweis für Arbeit und Sozialversicherung“ oder dem Reiseprospekt des „Feriendienstes des FDGB“.

Die Zeitreise per Schaukasten kommt auch an den markanten DDR-Produkten nicht vorbei. 1968 gelangte die Neuschöpfung des Kombinates Industrielle Mast in die Läden: der Goldbroiler. Ein Jahr später feierte ein Kunststoffgewebe aus Cottbus seine Premiere in Form von Anzügen und Kleidern der Marke „Präsent 20“ anlässlich des 20. Jahrestages der DDR 1969. Kurz danach mussten DDR-Betriebe die Herkunftsbezeichnung „Made in Germany“ durch „Made in DDR“ oder „Made in GDR“ ersetzen. 1982 erschien das erste Album der Rolling Stones im VEB Deutsche Schallplatten „Amiga“, 1988 hielt Erich Honecker schließlich den ersten Megabit-Chip aus heimischer Produktion in den Händen. Und im nachgebauten „Konsum“ stehen auf den Regalen die für Feierlichkeiten unverzichtbaren Präsentkörbe.

Doch das 1993 gegründete, 1999 in seine heutigen Räume gezogene Dokumentationszentrum will sich nicht als „Ostalgie-Schau“ verstehen, wie seine Macher betonen. Wissenschaftliche Veröffentlichungen und Sonderausstellung sollen den Blick auf die vier Jahrzehnte DDR schärfen. Derzeit widmet sich eine Schau den Ereignissen rund um den 17. Juni 1953. Das Jahr wird anhand von Zeitungsmeldungen, Plakaten, persönlichen Erinnerungen und Defa-Filmen beleuchtet. Statt Sentimentalität: Politik.

Das Dokumentationszentrum Alltagskultur der DDR in der Erich-Weinert-Allee 3 in Eisenhüttenstadt ist dienstags bis freitags von 13 bis 18 Uhr sowie sonnabends und sonntags von 10 bis 18 Uhr geöffnet. Weitere Informationen unter Tel. (03364) 417355 oder im Internet: www.alltagskultur-ddr.de

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