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Brandenburg: Peinliche Glückwünsche

Potsdams Oberbürgermeister entschuldigt sich für Geburtstagsgrüße an berüchtigten ehemaligen Richter

Potsdam - Die Geburtstagsgrüße des Potsdamer Oberbürgermeisters an einen Hundertjährigen sorgen für Wirbel: Jann Jakobs (SPD) musste sich gestern Abend öffentlich dafür entschuldigen. Am Dienstag hatte er trotz vorheriger Warnungen von Historikern dem früheren DDR-Richter Hermann Wohlgethan in einem offiziellen Glückwunschschreiben zum 100. Geburtstag gratuliert. Doch Wohlgethan war in der DDR-Zeit berüchtigt. Er galt als „roter Freisler“ und sollte 1998 in 63 Fällen wegen Rechtsbeugung während seiner Richterzeit angeklagt werden. Einzig die von Rechtsmedizinern attestierte Vernehmungsunfähigkeit des damals 91-Jährigen rettete den in einem Pflegeheim Lebenden vor der Anklagebank. Zwar verzichtete Jakobs daraufhin auf die sonst übliche Ehrung durch eine Beigeordnete, ein Bote der Stadt überbrachte dennoch die schriftlichen Glückwünsche an den Jubilar.

Mitglieder des Oberbürgermeisterbüros entschuldigten den Vorfall gestern zunächst damit, dass nicht genügend Hinweise auf die Vergangenheit des Jubilars vorgelegen hätten. „Das ist empörend“, sagte Hans-Hermann Hertle vom Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam (ZZF). Er habe Bürovorsteher Wolfgang Hadlich vergangene Woche einen Brief mit allen Details geschickt.

Der Leitende Neuruppiner Oberstaatsanwalt, Gerd Schnittcher, kann sich an Hermann Wohlgethan gut erinnern. Er habe harte Zuchthausstrafen ausgesprochen, Gesetze unverhältnismäßig gebeugt und bei der Verurteilung politisch Gefangener „schwere Menschenrechtsverletzungen“ begangen. Wohlgethan sei kein unabhängiger Richter gewesen, sondern der lange Arm der Staatssicherheit und habe „wissentlich rechtswidrig entschieden“.

Unrechtsbewusstsein ließ Wohlgethan an seinem Geburtstag vermissen. Er brüstete sich gegenüber Journalisten sogar mit den Worten, das letzte Todesurteil in Brandenburg gesprochen zu haben. Und, dass er der „größte Kommunist im Heim ist“. Aus der PDS trat der 1907 in Bünde geborene Wohlgethan Ende der 1990er Jahre aus und in die DKP ein.

In den Reihen der Sozialdemokraten wurde das Vorgehen des Oberbürgermeisters gestern kritisiert, auch personelle Konsequenzen wurden gefordert. Wenn bei einem solchen Ereignis gratuliert werde, sollte die Vita des Jubilars geprüft werden, sagte der Fraktionschef der SPD, Mike Schubert. Bei Potsdamer Organisationen, die DDR-Unrecht aufarbeiten, stießen die Grußworte auf komplettes Unverständnis. Die CDU wertete das Vorgehen des Oberbürgermeisters als respektlos.

Pikant an der Gratulation ist auch, dass es in einigen Tagen einen offiziellen Empfang für alle früheren Häftlinge des Stasi-Gefängnisses in der Lindenstraße sowie des KGB-Gefängnisses geben wird. Dass der Oberbürgermeister neun Tage vorher genau demjenigen gratuliert, der dort Menschen hinter Gitter gebracht hat, „ist eine Brüskierung der Betroffenen“, sagte Hans-Hermann Hertle.

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