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Brandenburg: Politischer Bankrott?: Zur Rettung der Menschenwürde den Gedenkstein wegschaffen?

Soll er weg, oder soll er bleiben? Seitdem im Gubener Neubauviertel Obersprucke ein Gedenkstein an den im Februar 1999 von jungen Rassisten zu Tode gehetzten Farid Guendoul alias Omar Ben Noui erinnert, wird über das Mahnmal heftig debattiert.

Von Frank Jansen

Soll er weg, oder soll er bleiben? Seitdem im Gubener Neubauviertel Obersprucke ein Gedenkstein an den im Februar 1999 von jungen Rassisten zu Tode gehetzten Farid Guendoul alias Omar Ben Noui erinnert, wird über das Mahnmal heftig debattiert. Nach jeder Schändung des Steins - mittlerweile gab es sieben Attacken - nimmt die Lautstärke der öffentlichen Auseinandersetzung noch zu. Nun hat sich auch Generalsuperintendent Rolf Wischnath eingeschaltet, der das landesweite Aktionsbündnis gegen Gewalt, Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit leitet. Zur Überraschung der Verteidiger von Stein und Standort spricht sich Wischnath dafür aus, das Mahnmal aus Obersprucke zu entfernen und in der Nähe des Rathauses bei einem Denkmal für Zwangsarbeiter aufzustellen.

"Das ist ein Versuch, menschenwürdiges Gedenken an Omar Ben Noui zu wahren", sagt der Generalsuperintendent, "und den Stein nicht länger von Rechten und Linken funktionalisieren zu lassen." Die Neonazis wollten die Menschenwürde zerstören, indem sie den Stein schänden, und die Antifa-Szene, "indem sie den Stein anstelle eines Menschen stellen." Wischnath: "Das ist theologisch ein Götzendienst."

Die Linken fühlen sich getroffen. Sie haben im Juli 1999 den Stein in Obersprucke aufgestellt. Ohne das Mahnmal, das im März 2000 vom Stadtparlament zur Gedenkstätte erklärt wurde, gäbe es in Guben kein sichtbares Symbol dauerhaften Gedenkens an den toten Algerier. "Den Stein zu entfernen wäre eine politische Bankrotterklärung", sagt André Lehmann von der Gubener Antifa. Aber auch die Linken haben Verständnis für Argumente, das Mahnmal vor rechten Randalierern in Sicherheit zu bringen. Die Antifa zitiert in Guben lebende Asylbewerber, die mit Farid Guendoul befreundet waren. "Die Flüchtlinge sehen den Stein fast wie eine Grabstätte", sagt Lehmann. "Für sie ist es unerträglich, dass ständig die Totenruhe gestört wird." Die Asylbewerber wollen den Gedenkstein auf dem Gelände ihres Heims unterbringen.

Bürgermeister Gottfried Hain möchte sich nicht festlegen lassen. Der SPD-Politiker kennt das Murren in der Bevölkerung, gerade in Obersprucke, über das Mahnmal und die Schlagzeilen nach einer Schändung. "Oft wird der Stein als Problem angesehen und nicht das Problem der rechtsextremen Schandtaten", sagt Hain. Dass Wischnath sich nun an der Diskussion über die Situation in Guben beteiligt, sei zu begrüßen - doch ein Votum für die Verlegung des Steins lehnt der Bürgermeister ab.

Was denkt die Freundin von Farid Guendoul, die nach seinem Tod das gemeinsame Kind zur Welt gebracht hat? "Ich bin entsetzt, dass der Stein immer wieder angegriffen wird", sagt die Frau, die aus Angst vor der rechten Szene ihren Namen nicht genannt haben will. Wichtiger noch als die Frage nach dem Standort des Mahnmals ist der Frau die Sicherheit ihrer kleinen Tochter. "Die Rechten beobachten mich", sagt Guendouls Freundin. Beim ersten Anzeichen eines Angriffs "bin ich aus Guben weg".

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