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Brandenburg: Potsdam strahlt – auch ohne Schloss

Brandenburgs Hauptstadt geht es besser als dem Rest des Landes. Nur die Residenz wird vorerst nicht neu aufgebaut

Potsdam. Gerade brachte es ein Städtevergleich an den Tag: Unter allen ostdeutschen Landeshauptstädten hat Potsdam den höchsten Bevölkerungszuwachs, die niedrigste Arbeitslosigkeit und die stärkste Kaufkraft. Auch das Land hat kräftig in seine Hauptstadt investiert, ob in die Bundesgartenschau, den Nikolaisaal oder jetzt in das neue Theater. Potsdam ist, im Vergleich zur tristen Realität in weiten Teilen Brandenburgs, eine ostdeutsche Wohlstandsstadt. Ob Biosphäre, Filmpark oder Krongut Bornstedt – davon können andere nicht einmal träumen. Hier wird mehr geheiratet als anderswo, und es werden mehr Kinder geboren, denn in Potsdam kann man – bei allen Problemen – gut leben.

Nicht umsonst auch ist das bürgerschaftliche Engagement in Potsdam besonders hoch. Villen werden saniert, für zahlreiche historische Gebäude wird Geld gesammelt. Dafür stehen Prominente wie Wolfgang Joop oder Günther Jauch, aber auch der Pfingstberg- Verein und die Reemtsma-Stiftung, denen die Wiederherstellung des herrlichen Belvedere zu verdanken ist.

Etwas aber fehlt. Und Jauch ist einer von denen, die sich vehement auch dafür einsetzen: den Wiederaufbau des Potsdamer Stadtschlosses. Das Fortunaportal steht bereits – dank seiner Spende. Ein gewichtiger, hartnäckiger Mitstreiter lässt schon seit Wochen kaum eine Gelegenheit aus, die Landtagsabgeordneten dafür zu gewinnen, das Brandenburger Parlament auf dem heute brachliegenden Alten Markt anzusiedeln – in einem Gebäude mit der historischen Fassade des Schlosses. Es ist Potsdams Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD).

Er kann gute Gründe für das Vorhaben anführen: Das jetzige Landtagsgebäude, der „Kreml“ oben auf dem Brauhausberg, ist eine marode, verwinkelte Trutzburg – Deutschlands schäbigster Parlamentssitz. Manche brandenburgische Kreisverwaltung ist besser untergebracht. Eine Lösung für die Volksvertreter muss her. Und die beste – darin sind sich auch im Stadtparlament fast alle einig – wäre zweifellos das in den 50er Jahren abgerissene Schloss, das auch eine Wunde im Stadtbild schließen würde, die bis heute schmerzt. Selbst die Kosten wären mit rund 200 Millionen Euro noch moderat – man denke nur an die weitaus teureren Bundesbauten im Berliner Regierungsviertel.

Alles kluge Argumente, gewiss – und so vehement Jakobs auch für einen Grundsatzbeschluss des Landtages Anfang 2004 wirbt: Das Parlament wird sich kein neues Domizil genehmigen. Ein öffentlich finanzierter Parlaments-Neubau, erst recht mit Schlossfassade, ist angesichts der weithin deprimierenden wirtschaftlichen, sozialen und finanziellen Lage Brandenburgs derzeit weder zu vertreten, noch den Prignitzern, den Lausitzern, den Uckermärkern zu vermitteln.

Jeder Euro, der heute schon für vorbereitende Maßnahmen zur Freilegung des Schlossgrundrisses von den kargen Landesmitteln für Städtebauförderung abgezwackt wird, fehlt in Wittenberge, in Schwedt, in Guben. Fehlt in Städten, die unter einer Problemlast ächzen, die Potsdam nicht kennt, und zum Glück nicht kennen lernen wird. Mit Arbeitslosigkeitsraten, die um die 20 Prozent und höher liegen. Mit historischen Kernen, deren Sanierung stockt, wo der Leerstand wächst und Verfall droht, weil in den nächsten Jahren die Bevölkerung schrumpfen wird – Folge von Abwanderung und Alterung.

Selbst der bisherige Trumpf von Jakobs, dass Potsdam rechtzeitig ein zumutbares Parlamentsgebäude bekommen müsse, wenn das gemeinsame Parlament von Berlin und Brandenburg in die Landeshauptstadt Potsdam ziehen soll, sticht seit einigen Tagen nicht mehr: Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD), Jakobs Vorgänger im Rathaus, hat gerade die geplante Volksabstimmung im Jahr 2006–und damit die Fusion–vertagt.

Ein Jammer für Potsdam? Ach was. Selbst wenn der Schloss-Landtag zunächst nicht gebaut wird, muss sich die Stadt nicht grämen. Im Gegensatz zu vielen Brandenburger Städten hat Potsdam für die nächsten Jahrzehnte eine Wohlstands- und Wachstumsperspektive, die so gut ist, dass man getrost die Prognose wagen kann: Das Stadtschloss wird auf dem Alten Markt wieder stehen. Auch wenn es etwas länger dauert. Es mag im Nachhinein bitter sein, dass der Landtag es zu den Zeiten voller Fördertöpfe verpasst hat, für eigene gute Arbeitsbedingungen zu sorgen. Doch das Wohl und Wehe Potsdams hängt vom Landtagsschloss nicht ab.

Es tut dieser Stadt vielleicht sogar ganz gut, in ihren Ansprüchen bescheidener zu werden. Auf eigene Stärken statt auf Landeshilfe zu setzen, die anderswo nötig ist. Schließlich gilt auch: Eine Hauptstadt, die Teil der Brandenburger Identität sein will, darf sich nicht zu sehr von der Entwicklung des Landes abkoppeln. Und diese Gefahr besteht durchaus. Potsdam – welch Glücksfall in diesen Zeiten – kann trotzdem heiter-gelassen in die Zukunft blicken.

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