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Prozess: Manager plünderte Ost-Firma aus

Einer der größten Fälle von Vereinigungskriminalität wird vor Gericht verhandelt: Mit Verbündeten hatte Michael Rottmann die WBB für einen Spottpreis von der Treuhandanstalt gekauft. Der Schaden soll 50 Millionen Euro betragen.

Berlin - Michael Rottmann hatte für die Rentnerin auf einer der hinteren Reihen im Saal 618 im Kriminalgericht keinen Blick. Das Gesicht der Zuhörerin sagt dem 66-Jährigen, der nach der Wende mit Millionen jongliert und sich mit Komplizen am Vermögen der Ost-Berliner Wärmeanlagenbau GmbH (WBB) schamlos bedient haben soll, sicher längst nichts mehr. Sie war seine Sekretärin und hat ihn als „fiesen Chef“ in Erinnerung: „Wir sollten erst mal arbeiten lernen.“ Er habe in Saus und Braus gelebt. „Er zog die Tausender aus der Tasche.“

14 Jahre nach seiner Flucht muss sich Michael Rottmann seit gestern als mutmaßlicher Drahtzieher im wohl größten Fall von Vereinigungskriminalität verantworten. Mit Verbündeten hatte er die WBB für einen Spottpreis von der Treuhandanstalt gekauft. Der Ingenieur, zuvor Manager eines namhaften Unternehmens mit Sitz im Ruhrgebiet, trat als Macher auf. „Wir werden Kraftwerke bauen wie andere Brötchen backen“, verkündete er Anfang der 90er Jahre. Rottmann und seine Helfer aber sollen das Unternehmen bis auf den letzten Groschen ausgesaugt haben. Der Schaden soll rund 50 Millionen Euro betragen.

Die WBB baute zu DDR-Zeiten Heizkraftwerke und Fernwärmeleitungen. Nach der Wende war die Firma von der Treuhand als GmbH neu gegründet worden. Wirtschaftlich sah es vergleichsweise gut aus: 153 Millionen Mark auf den Konten, lukrative Immobilien in Berlin, Leipzig und Zwickau, 1225 Mitarbeiter. Durch gezielte Manipulationen sollen Rottmann und seine Helfer die WBB über eine Schweizer Firma für lächerliche zwei Millionen Mark erworben haben. Durch Scheingeschäfte, weit unter Wert verkaufte Immobilien, die an Strohmänner gingen, fingierte Beraterverträge oder Transaktionen an Briefkastenfirmen sei die WBB systematisch ausgeplündert worden. 1994 ging sie in Konkurs.

Manager Rottmann verschwand. Seit Ende 1996 lief die internationale Fahndung. Es tauchten Bilder auf, die ihn auf einer Jacht zeigten. Im Herbst 2000 wurde er in England zwar festgenommen, doch gegen Zahlung einer hohen Kaution von der Haft verschont. Er kämpfte mit allen Mitteln gegen seine Auslieferung, bis er im vorigen Juli endlich in Deutschland eintraf. Seitdem sitzt er in Untersuchungshaft. Geld hat er angeblich schon lange nicht mehr. In England läuft ein Insolvenzverfahren. „Offiziell ist er ein armer Rentner“, sagte der Staatsanwalt. Obendrein ein verlassener. Seine Gattin soll mit einem Tennislehrer und den vier Kindern in Spanien leben.

Im Untreue-Prozess will Rottmann angeblich viel vortragen. Doch er sehe sich gehindert, erklärte einer der drei Anwälte und beantragte Aussetzung oder mehrwöchige Unterbrechung des Verfahrens. Rottmanns „Verteidigungsmaterial“ befinde sich auf einem Laptop, den er bislang in der Haft nicht benutzen dürfe. „Weit über 10 000 Seiten“ habe er gespeichert. K. G.

Kerstin Gehrke

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