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Brandenburg: Rechtsextremismus: Entschuldigungen von oben

Die brandenburgische Landesregierung und der Bürgermeister der Gemeinde Mahlow haben sich bei dem seit einem ausländerfeindlichen Anschlag querschnittsgelähmten Briten Noel Martin entschuldigt. "Ich schäme mich für das, was Ihnen in Mahlow angetan worden ist", sagte Bürgermeister Werner la Haine (parteilos) am Sonnabend bei einem Empfang für den Briten in Blankenfelde.

Die brandenburgische Landesregierung und der Bürgermeister der Gemeinde Mahlow haben sich bei dem seit einem ausländerfeindlichen Anschlag querschnittsgelähmten Briten Noel Martin entschuldigt. "Ich schäme mich für das, was Ihnen in Mahlow angetan worden ist", sagte Bürgermeister Werner la Haine (parteilos) am Sonnabend bei einem Empfang für den Briten in Blankenfelde.

Der heute in Birmingham lebende dunkelhäutige Martin warnte vor den Gefahren des Rassismus. "Ein Tag ist noch kein ganzes Leben", sagte er zu dem mit ihm veranstalteten Aktionstag. Niemals wieder dürfe ein Mensch aus Ausländerfeindlichkeit verletzt werden. Sein Leben wie auch das seiner Frau, seiner Familie und von Freunden sei vor fünf Jahren zerstört worden.

Der Amtsdirektor hat es den Glatzen inzwischen schriftlich gegeben: "Auf dem Bahnhofsvorplatz ist der Genuss von Alkohol verboten!", steht auf einem Schild vor dem mit gelben und blauen Stiefmütterchen bepflanzten Rondell. Es ist Freitagabend in Mahlow, vor einer Stunde hat die "Tagesschau" den Ort in Erinnerung gerufen, der am Sonnabend den Sternmarsch - nun ja, erwartet. Oder über sich ergehen lässt, je nachdem.

Der Jahrestag der Katastrophe kommt als Volksfest daher. "Wir begleiten Noel Martin - gegen Rassismus", steht auf Plakaten überall im Ort. Wer begleitet ihn? "Na ja, fifty-fifty, dass ich hingehe", sagt einer. "Aber eigentlich muss ich auf meine Schwester aufpassen". Seine Freundin sagt, sie habe keine Zeit. Was sie vorhat? Da muss sie überlegen. "Wir fahren weg", sagt sie zögernd. Eine Blondine und ihr Freund berichten von Klausurenstress, der ihnen die Demo zu vermasseln droht. Aber wenigstens zum anschließenden Konzert wollen sie gehen. Die Erinnerung an den Anschlag auf Noel Martin und seine Kollegen finden sie wichtig. Vielleicht verblasse dann endlich auch der Ruf des braunen Nestes, der Mahlow anhänge.

Das Problem mit den Glatzen halten die beiden aber für ungelöst: Solange die Polizei ihre "mobile Wache" vor dem Bahnhof parke, sei Ruhe. Aber sonst säßen die Nazis immer vor der Unterführung herum: mal sechs, mal zehn. Nicht, dass sie dauernd zuschlagen würden. Aber ihr Benehmen sei Grund genug für einen Umweg. Eine freundliche 59-Jährige, die von einem Dackel gezogen wird und schon ewig in Mahlow wohnt, "weiß noch nicht", ob sie zur Kundgebung geht. Gute Sache, klar. Aber sie habe eben viel zu tun, sagt die Frau. Und: "Ich weiß nicht, ob das nicht ein bisschen viel Aufwand ist. Was das auch kostet", sagt sie mit Blick auf die Bühne, neben der eine Reihe Ü-Wagen vom Fernsehen parken. "Es ist natürlich traurig, dass dem Mann sowas passiert ist. Aber hier wird das Einzelschicksal so hoch gehängt. Dabei gibt es so viele Opfer".

Am Sonnabendmittag sind die Straßen in Mahlow still, weil die Polizei für den Sternmarsch abgesperrt hat, und die meisten Leute sich vor der Schwüle in ihre Häuser verkrochen haben. Nur ein paar lehnen an den Gartenzäunen und warten. Unweit der Stelle, wo Noel Martin vor genau fünf Jahren gegen die Platane raste, stehen zwei pickelige Kahlgeschorene herum. Sie haben ihre Lonsdale-Jacken mit den "White Power"-Aufklebern angezogen und schwitzen zwischen den Polizisten, die sie bewachen. Über die Stelle, wo die Platane stand, gegen die Martin damals krachte, ist bis heute kein Gras gewachsen. Ab jetzt steht hier ein Denkmal: ein eiserner Baumstumpf, in dem ein Feldstein steckt. Zum Schutz vor Vandalismus ist er fest mit einer Metallkonstruktion verbunden. Ein schwarzer Van rollt heran. Dunkelhäutige Bodyguards und Begleiter von Noel Martin steigen aus. Dann rollt Martin ganz langsam aus dem Auto. Regungslos, weil er nur noch den Kopf und eine Schulter bewegen kann. Eine Begleiterin steckt ihm eine Zigarette in den Mund. Martins Augen sind hinter einer Sonnenbrille verborgen. Er kann den Gedenkstein kaum sehen, weil ihn die Fernsehteams umringen. Die Bodyguards befestigen drei große Fahnen am Auto: die von Großbritannien, wo Martin lebt. Die von Jamaica, wo er geboren wurde. Und die von Deutschland, wo er durch den Anschlag praktisch bei lebendigem Leibe begraben wurde. Genau hier - vor genau fünf Jahren.

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