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Brandenburg: Rechtsextremismus: Stolpe: Fremdenfeindlichkeit wollte ich nicht wahrhaben

Ministerpräsident Manfred Stolpe hat zugegeben, den Rechtsextremismus in früheren Jahren verharmlost zu haben. In einem Interview mit der Hamburger Wochenzeitung "Die Zeit" distanzierte er sich erstmals klar von früheren verharmlosenden Äußerungen: "Ich wollte es einfach nicht wahrhaben.

Ministerpräsident Manfred Stolpe hat zugegeben, den Rechtsextremismus in früheren Jahren verharmlost zu haben. In einem Interview mit der Hamburger Wochenzeitung "Die Zeit" distanzierte er sich erstmals klar von früheren verharmlosenden Äußerungen: "Ich wollte es einfach nicht wahrhaben."

Stolpes Selbstkritik wurde von brandenburgischen Politikern unterschiedlich bewertet: SPD- und PDS-Politiker begrüßten die Äußerungen überwiegend. Dagegen gab es in der CDU Kopfschütteln, weil Stolpe auch seine Kritik an Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) wegen dessen Rassismus-Vorwurf gegen den Innenminister Jörg Schönbohm zurücknahm.

Thierse hatte einen unsensiblen Umgang mit dem Gubener Hetzjagd-Opfer kritisiert. Stolpe nahm Schönbohm zunächst in Schutz sprach von einem "Hauch von Vorwurf gegen das ganze Land". Jetzt sagte er, es habe sich herausgestellt, dass der Hinweis Thierses eine Berechtigung hatte. Er stimme zu, dass der Staat in solchen Fällen nicht routinemäßig vorgehen dürfe. Er müsse den Einzelfall prüfen. Bei einer Würdigung der Leidensumstände des Algeriers Khaled Bensaha hätte der Ermessenspielraum anders genutzt werden können.

Stolpe sagte zu eigenen umstrittenen Äußerungen, er habe geglaubt, dass bei den jungen Leuten etwas vom an den DDR-Schulen gelehrten Antifaschismus und Internationalismus hängen geblieben sein müsse. Er gestand zu, dass er 1997 mit seinem öffentlich geäußerten Verständnis für die Einwohner von Gollwitz, die gegen ein Heim für Juden aus der Ex-Sowjetunion protestiert hatten, praktisch fremdenfeindliche Tendenzen unterstützt habe: Das differenzierte Herangehen an Vorurteile, das Um-Verständnis-Werben sei objektiv eine Unterstützung der Fremdenfeindlichkeit.

"Differenzieren wirkt als verharmlosen, und verharmlosen heißt unterstützen", sagte Stolpe. Er habe seinen verständnisvollen Ansatz schon vor einiger Zeit korrigiert. Mit Blick auf die Fremdenfeindlichkeit bezeichnete Stolpe auch seine bisherige Strategie, das Wir-Gefühl der Brandenburger zu stärken, als nicht ausreichend: Sie müsse ergänzt werden durch eine massive Auseinandersetzung mit der Fremdenfeindlichkeit und Gewaltneigung. Stolpe sagte, die Auseinandersetzung müsse in die Richtung "unbrandenburgischen Verhaltens" geführt werden: "Ein Brandenburger tut das nicht."

Auch eine andere Karte, die Landesgeschichte, müsse massiver ausgespielt werden: Brandenburg sei nur durch Zuwanderung und Toleranz etwas geworden. Vor diesem Hintergrund sei auch mehr Zivilcourage gefordert. Zu Vorwürfen von Ausländer-Initiativen, dass ihre Arbeit seit der Großen Koalition schwieriger geworden sei, sagte Stolpe, er werde prüfen, ob es Behinderungen gebe. Den Vorschlag, ausländischen Opfern von rechtsextremistischen Übergriffen automatisch ein Bleiberecht in Deutschland zu gewähren, begrüßte er: "Sie meinen, dass die Ausländer durch die Nazis quasi selbst ins Land geprügelt werden? In der Tat wäre das eine Demonstration von Solidarität. Das hätte etwas."

SPD-Politiker werteten die selbstkritischen Stolpe-Äußerungen intern als "Befreiungsschlag". SPD-Umweltminister Wolfgang Birthler meinte, dass auch die Medien das Thema Anfang der neunziger Jahre nicht ernst genommen hätten. "Wir sind damals kaum zum Atmen gekommen, weil wir das Land aufbauen mussten." Hinterher sei man immer klüger. CDU-Generalsekretär Thomas Lunacek sagte, inzwischen werde gegen rechstradikale Schläger hart durchgegriffen. Der PDS-Politiker Michael Schumann bezeichnete Stolpes Äußerungen als "richtige und nützliche Erkenntnis". Das Thema sei jahrelang von Stolpe und der Landesregierung verharmlost worden.

Zum Fall Guben sagte Schönbohm, auch seine jüngste Prüfung habe ergeben, dass die Behörden korrekt entschieden hätten. Er sehe keine Möglichkeit, die Entscheidung zu korrigieren. "Wir müssen verhindern, dass es einen Präzedenzfall wegen öffentlichen Drucks gibt." Doch habe der Algerier Abschiebeschutz, so dass er eine Therapie beginnen könne. Es sei auch ein Skandal, dass er seit 18 Monaten traumatisiert sei, aber sich nicht in Behandlung befinde. Schönbohm bedauerte allerdings zum ersten Mal Tonlage und Formulierungen in dem Bescheid.

Michael Mara

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