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Brandenburg: Rechtsverwirrung auf oberster Instanz

In Berlin und Brandenburg gibt es keine Regelung, welches Verfassungsgericht jeweils zuständig ist

Potsdam - Bei der Bildung gemeinsamer Obergerichte für Berlin und Brandenburg hat es eine Panne gegeben – aus Sicht der Verfassungsgerichte beider Länder. Nach Tagesspiegel-Recherchen ist in dem von den Parlamenten und Regierungen beschlossenen Staatsvertrag für die Gerichtsfusionen mit keiner Silbe geregelt, bei welchem Verfassungsgericht denn gegen Urteile der fusionierten Gerichte Beschwerde eingelegt werden kann. Es geht um das Oberverwaltungsgericht und das Landessozialgericht für beide Länder, die seit 2005 arbeiten. Ab 2007 folgen das gemeinsame Landesarbeitsgericht und das Ober-Finanzgericht. Die Zuständigkeit für Verfassungsbeschwerden bei Urteilen dieser Gerichte sei nicht geklärt, bestätigte Brandenburgs Verfassungsgerichtspräsidentin Monika Weisberg- Schwarz dem Tagesspiegel. „Es hätte eine gesetzliche Klarstellung erfolgen können.“ Man werde nun selbst befinden müssen, für welche Fälle man zuständig sei. Auch der Berliner Verfassungsgerichtshof kündigt dazu „noch für diesen Monat“ eine „grundsätzliche Entscheidung“ an. Auch dort heißt es: „Wenn man im Staatsvertrag eine Regelung getroffen hätte, bräuchte man sich keine Gedanken zu machen.“ Man hätte zum Beispiel festlegen können, dass das Berliner Verfassungsgericht für Berliner, das Brandenburger für Brandenburger Klagen zuständig ist.

Was wie eine rechtstheoretische Spitzfindigkeit aussieht, erhält politische Brisanz durch den früheren Berliner Verfassungsgerichtspräsidenten Klaus Finkelnburg. In einem Aufsatz hat er nämlich beiden Verfassungsgerichten die Zuständigkeit für die fusionierten Obergerichte abgesprochen: Das gemeinsame Oberverwaltungsgericht (OVG) etwa ist nach seiner Auffassung weder ein Berliner noch ein Brandenburger Gericht, sondern juristisch ein „tertium“, ein Drittes. Zitat: „Natürlich hätte der Staatsvertrag, der so vieles minutiös geregelt hat, das gemeinsame Oberverwaltungsgericht der Jurisdiktion der beiden Verfassungsgerichte unterwerfen können.“ Dieser „Federstrich des Gesetzgebers“ sei offenbar vergessen worden. Solange dies nicht korrigiert werde, seien Verfassungsbeschwerden gegen OVG-Urteile nur beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe möglich. Das wäre ein Novum in Deutschland.

Ob das Berliner Verfassungsgericht dieser Position folgt, ist gleichwohl unklar. Es könnte sich selbst für Berliner Klagen zuständig erklären. Es wäre auch denkbar, dass es sich für alle eingehenden Beschwerden – egal, ob von Brandenburgern oder Berlinern – für zuständig erklärt. Zusätzlich kompliziert wird alles dadurch, dass das Brandenburger Verfassungsgericht die Entscheidung der Berliner Kollegen nicht übernehmen muss.

Eine Panne oder eine Rechtslücke sehen die Justizressorts beider Länder dennoch nicht – und im Unterschied zu den Verfassungsgerichten auch eigentlich keinen Regelungsbedarf. „Wir gehen davon aus, dass die Zuständigkeit automatisch dort liegt, wo das Problem entstanden ist“, sagt Berlins Justizsenatorin Gisela von der Aue. Der Problematik war man sich im Staatsvertragsverfahren bewusst, erklärt auch Brandenburgs Justizministerium.

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