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Brandenburg: Reiches Dorf in der armen Mark

Die Ahrensdorfer sind gegen eine Gemeindefusion - sie kassieren reichlich SteuernVON FRANK HOFMANN AHRENSDORF.Die Straße von der Autobahnausfahrt Ludwigsfelde-West am Berliner Autobahnring ins ein Kilometer entfernte Ahrensdorf läßt nicht vermuten, daß der Weg in das reichste Dorf Deutschlands führt: Die holprige Durchgangsstraße wurde immer wieder ausgebessert.

Die Ahrensdorfer sind gegen eine Gemeindefusion - sie kassieren reichlich SteuernVON FRANK HOFMANN AHRENSDORF.Die Straße von der Autobahnausfahrt Ludwigsfelde-West am Berliner Autobahnring ins ein Kilometer entfernte Ahrensdorf läßt nicht vermuten, daß der Weg in das reichste Dorf Deutschlands führt: Die holprige Durchgangsstraße wurde immer wieder ausgebessert.Ein krasser Gegensatz zu den Wegen innerhalb der 650-Seelen-Gemeinde, wo große Pflastersteine, nagelneue Lampen und adrett abgesetzte Gehsteige den Ort wie ein Touristenzentrum erscheinen lassen. Die beiden Firmenschilder am Eingang des Gemeindehauses von Ahrensdorf lassen Großes vermuten: Hier sind die "Daimler Benz Wertpapierhandel OHG" sowie die "Daimler Benz AG und Co.Finanzanlagen OHG" beheimatet.Zwei Unternehmen des größten deutschen Industriekonzerns, die 1996 auf den internationalen Finanzmärkten 4,2 Milliarden Mark umsetzten - per Mausklick von Ahrensdorf aus in der ganzen Welt. Viele Arbeitsplätze gibt es in dem östlich von Potsdam gelegenen Autobahnort allerdings nicht: Die Daimler-Geschäfte werden von zwei Geschäftsführern und zwei Wertpapierhändlern verantwortet.Den Büroraum in dem eingeschossigen Gemeindehaus haben sie bei der ehrenamtlichen Dorfbürgermeisterin Martina Borgwardt angemietet, die den Daimler-Beschäftigen im Gegenzug einen niedrigen Gewerbesteuerhebesatz von 150 Prozentpunkten sichert.Ein gutes Geschäft: Mehr als elf Millionen Mark Gewerbesteuer überweisen die Daimler-Angestellten allein für dieses Jahr.Die Wertpapierhändler machen aus den Ahrensdorfern Gewerbesteuermillionäre mit einem Pro-Kopf-Aufkommen von mehr als 16 000 Mark.Ein Geschenk des Konzerns, nachdem der frühere Mercedes-Vorstandschef Werner Niefer Ende 1992 den Bau einer LKW-Fabrik mit 4000 Beschäftigten auf Ahrensdorfer Boden stoppte.In Untertürkheim wurde damals das erste Mal seit Jahrzehnten kurzgearbeitet, 27 000 Arbeitsplätze sollten bei den Autobauern abgebaut werden.Ahrensdorf hatte damals schon alle Bebauungspläne fertiggestellt.Was blieb war ein Dankeschön aus Stuttgart. Diese Woche hat die Ahrensdorfer Bürgermeisterin die letzte Hürde genommen, um die Unabhängigkeit ihres Dorfes für die nächsten zwei Jahre zu zementieren.Am Montag gab der Kreistag Teltow-Fläming einstimmig sein Einverständnis dafür, daß Ahrensdorf mit seinen Nachbarn Großbeeren und Osdorf ein "Rest-Amt" bildet und damit eigenständig bleibt.Während zum Jahreswechsel mehr als 40 Gemeinden allein im Landkreis Teltow-Fläming fusionieren, schieben die Ahrensdorfer diesen Schritt bis zum Jahr 2000 hinaus.Sehr zum Verdruß der Kommunalaufsicht im Brandenburger Innenministerium, die durch die Zusammenlegung der Brandenburger Pleite-Gemeinden mit wohlhabenden Kommunen versucht, dem drohenden kommunalen Finanzfiasko entgegenzuwirken. Doch im reichen Ahrensdorf bissen die Potsdamer Beamten auf Granit: Per Volksabstimmung haben sich die rund 650 Bürger gegen eine Fusion entschieden.Über die Verwendung des Geldes wollen die neun Gemeindeverordneten auch künftig ganz allein entscheiden, "um unsere Entwicklung in der Gemeinde abzuschließen", sagt Bürgermeisterin Borgwardt.In dem Ort wird gebaut, was das Zeug hält: Fünf Millionen Mark gibt die Gemeindeversammlung für eine neue Turnhalle aus.Das neue Feuerwehrhaus steht schon, der Kirchturm ist renoviert, in den Straßen schlummern neue Gas-, Abwasser- und Stromleitungen. An diesem Abend sitzt die Gemeindechefin turnusgemäß mit ihren durch die Reihe parteilosen Dorf-Verordneten zusammen, um formal jene sechs Nachbarorte aus dem gemeinsamen Amt Ludwigsfelde-Land zu "entlassen", die dem "Fusionsdruck" aus dem Potsdamer Innenministerium nicht widerstehen konnten."Ich war von Anfang an gegen die Fusion", sagt die Gemeindevertreterin Rosi Reuther mit verschränkten Armen."Damit hätten wir nur unseren politischen Einfluß verloren, und über das Geld hätten wir dann auch nicht mehr bestimmen können." Das Brandenburger Innenministerium habe es doch nur "ausgenutzt", daß die "anderen Kommunen wirtschaftlich am Ende sind". Innerhalb von zwei Jahren soll im Ort noch eine Stiftung gegründet werden, - um die reichlich fließenden Gewerbesteuern zu sichern.Gerne würde die Gemeindeversammlung um Bürgermeisterin Borgwardt auch die holprige Durchgangsstraße sanieren."Da geht aber nichts", sagt einer der Verordneten: "Das ist eine Kreisstraße." Und die Kassen im Landkreis Teltow-Fläming sind leer.

FRANK HOFMANN

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