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Brandenburg: Richter ohne Rechtsgrundlage

Weil bei Wahlen für die Justiz gegen das Gesetz verstoßen wurde, könnten Urteile angefochten werden

Potsdam - Brandenburgs Justiz hat eine neue Affäre: Nach den Skandalen um zu viel gezahltes Trennungsgeld und Missstände in den Gefängnissen wurde nun bekannt, dass die Richter des Landes seit 1993 „formal nicht ordnungsgemäß“ gewählt worden sind. Das sagte Justizministerin Barbara Richstein (CDU) am Dienstag. Die Konsequenzen sind noch nicht absehbar. Die Wahl neuer Richter wird zunächst ausgesetzt. Richstein schloss nicht aus, dass Gerichtsurteile angefochten werden könnten. Mehr noch sorge sie sich, dass „das Ansehen der Brandenburger Justiz beschädigt wird“. Einen vergleichbaren Fall habe es bisher in der deutschen Justiz nicht gegeben.

Der Rechtsfehler ist bei der Wahl des so genannten Richterwahlausschuss gemacht worden, der die Richter in Brandenburg bestimmt. Ihm gehören acht Landtagsabgeordnete, ein Anwalt und drei Berufsrichter an. Nur bei der Wahl dieser drei Richter sei es zu Gesetzesverstößen gekommen, so Richstein. Das Richtergesetz verlange, dass die Brandenburger Richter zunächst ihre Vorschläge machen können, welche Kollegen sie in den Wahlausschuss entsenden wollen. Von dieser Vorschlagsliste wählen sie dann „nach den Grundsätzen der Verhältniswahl“ drei Richter für den Ausschuss – also die, die meisten Stimmen bekommen. Tatsächlich aber hat es unter den Brandenburger Richtern keine Verhältniswahl, sondern eine reine Personenwahl ohne Liste gegeben. Bei Anwendung des Verhältniswahlrechts wäre eine völlig andere Zusammensetzung des Ausschusses denkbar, so Richstein. Ursache für das Desaster ist nach ihren Angaben eine falsche Rechtsverordnung von 1993, die damals von Ministerpräsident Manfred Stolpe, Justizminister Hans Otto Bräutigam und Arbeitsministerin Regine Hildebrandt (zuständig für Arbeits- und Sozialgerichte) unterzeichnet wurde. Auf die Frage, ob alle Richterwahlen in Brandenburg – es geht um 1700 Entscheidungen über Einstellungen und Beförderungen – nichtig sein könnten, sagte Richstein: „Es gibt keinen Präzedenzfall in der deutschen Justiz und damit auch keine Rechtsprechung, auf die zurückgegriffen werden kann.“ Das Ministerium sei jedoch der Ansicht, „dass der Rechtsmangel mit Überreichung der Ernennungsurkunden an die Richter geheilt worden ist“: Die Wahl sei zwar nicht rechtsgemäß, aber rechtswirksam. Offen bleibt dennoch, wie es zu dem Fehler kommen konnte und warum er elf Jahre lang nicht bemerkt wurden. Erst jetzt meldete ein Richter den Gesetzesverstoß dem Ministerium. Angeblich soll er aber seit Jahren in Justizkreisen bekannt sein. Für Richstein steht fest, dass „mit fatalen Folgen schlampig gearbeitet worden ist“. Dass die Neuwahl der gesamten Richterschaft notwendig werden könnte, glaubt sie nicht, schon weil dadurch die Rechtssicherheit im Land in Frage gestellt würde.

Richstein will denn auch den jüngst vom Richterwahlausschuss gewählten Vizepräsidenten des Landgerichts in Cottbus wie geplant ernennen. Offen ist jetzt, wie eine so genannte Konkurrentenklage ausgeht: Sie wurde von einem vom Richterwahlausschuss abgelehnten Bewerber für die Stelle des Präsidenten des Verwaltungsgerichts Cottbus eingereicht.

Michael Mara

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