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Rudi Dutschke: Kleiner Bahnhof für den Revoluzzer

Schönefeld ist der Geburtsort von Rudi Dutschke - ein Platz, der nach ihm benannt ist, erinnert nun an ihn.

Gepflasterte Zufahrt, gelbes Backsteingebäude: Das ist der stillgelegte Bahnhof in Schönefeld, einem Ortsteil der Gemeinde Nuthe-Urstromtal im Landkreis Teltow-Fläming. Aber auf den Gleisen kommen hier nur noch Ausflugsdraisinen vorbei. Gleichwohl bekommt der Bahnhof heute eine neue Anschrift: Rudi-Dutschke-Platz 1.

Der einstige Studentenführer der 68er-Bewegung wurde am 7. März 1940 in Schönefeld geboren, noch immer steht sein Geburtshaus. Zwar war er erst wenige Monate alt, als die Mutter mit den drei älteren Brüdern in die nahe gelegene Stadt Luckenwalde zog. Der Vater war noch im Krieg. Doch für Winand Jansen, den Bürgermeister von Nuthe-Urstromtal, ist Dutschke dennoch ein Sohn der Gemeinde: „Geburtsort bleibt Geburtsort.“

Jansen hätte nach Dutschke gern eine ganze Straße benannt. Doch sein Plan stieß in der Gemeinde auf Widerstand. „Dutschke gehört einfach nicht zur Biografie der Ostdeutschen. In der DDR wurde er nicht thematisiert“, sagt der ehrenamtliche Ortsbürgermeister Schönefelds, Klaus Klein. Die meisten Schönefelder hätten keinen Grund zu der Umbennung gesehen, vielen gelte Dutschke als „Wessi“-Angelegenheit, mit der sie nicht behelligt werden wollten. Jansen aber blieb zäh, und im Dezember 2007 beschloss die Gemeindeversammlung schließlich die Benennung, wenn schon nicht einer Straße, so doch wenigstens der Zufahrt zum Bahnhof – bisher ein Teil der Kummersdorfer Straße – in Rudi-Dutschke-Platz. „Bei einer polarisierenden Persönlichkeit wie Rudi Dutschke muss das Vorhaben eben reifen“, sagt Winand Jansen.

Norbert Boenigk bewohnt den alten Bahnhof und verkauft in einem Imbiss davor Bratwürste. „Viele sagen: Dutschke war hier schon unbequem, dann ist er in den Westen und war da auch unbequem.“ Boenigk ist im Westteil Berlins geboren, er setzte sich ebenfalls für den Rudi-Dutschke-Platz ein. Unter anderem, weil er auf eine positive Imagewirkung setzt. Auch Bürgermeister Jansen hofft: „Der eine oder andere wird vielleicht kommen und sagen: Aha, hier ist Rudi Dutschke geboren.“

Manfred Dutschke, Rudis älterer Bruder, findet die Benennung „eine super Idee“. Er wohnt noch immer in Luckenwalde, dort hielt Rudi 1958 im heutigen Friedrich-Gymnasium eine Rede gegen den Dienst in der Nationalen Volksarmee, in deren Folge er nicht in der DDR studieren durfte und zum Studium nach West-Berlin ging. Dass sein Bruder in der eigenen Heimat als Westdeutscher wahrgenommen werde, stört Manfred Dutschke. „Rudi ist Brandenburger gewesen. 21 Jahre hat er hier gelebt. Er musste nach West-Berlin gehen, und dann kam die Mauer.“

Einen Konflikt über Dutschke, der 1979 an den Spätfolgen des Attentats, das 1968 auf ihn verübt wurde, starb, gibt es auch in Luckenwalde: 1996 entschieden sich Lehrer, Schüler und Eltern gegen die Umbenennung seiner ehemaligen Schule in Rudi-Dutschke-Gymnasium. Doch gegenwärtig werden in der Stadt „Merkzeichen“ aufgestellt, die an besondere Luckenwalder erinnern sollen. Lange tobte ein erbitterter Streit um die mannshohe Stele aus Stahl, die Rudi Dutschkes Namen tragen soll. In der kommenden Woche aber wird das Merkzeichen, das mit einem kurzen Text an den streitbaren Studentenführer erinnert, aufgestellt. 

Jasmin Rietdorf

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