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Brandenburg: Ruinierter Ruf

ClausDieter Steyer über angegriffene Schüler in Brandenburg ANGEMARKT In das kleine Dorf Kemnitz bei Werder ist wieder Ruhe eingekehrt. Keine Polizei, keine Journalisten, keine Angst mehr vor einer ominösen Schlägertruppe.

ClausDieter Steyer über angegriffene Schüler in Brandenburg

ANGEMARKT

In das kleine Dorf Kemnitz bei Werder ist wieder Ruhe eingekehrt. Keine Polizei, keine Journalisten, keine Angst mehr vor einer ominösen Schlägertruppe. Diese sollte vor einer Woche mitten in der Nacht in eine Bungalowsiedlung eingebrochen sein, dort Berliner Schüler einer 11. Klasse mit Baseballschlägern und Eisenstangen geschlagen und anschließend ausgeraubt haben. So meldete es die Polizei wenige Stunden nach der Vernehmung der Elftklässler. Für Zweifel an der Darstellung gab es zunächst keinen Anlass. Die Polizei setzte eine Sonderkommission ein, die Schulleitung äußerte ihre tiefe Betroffenheit, die Klasse reiste überstürzt zurück nach Berlin, und der Chef der Bungalowsiedlung hüllte sich in Schweigen.

Aber nun stellte sich heraus, dass sich die Ereignisse ganz anders zugetragen haben. Vier junge Männer aus Berlin forderten Schadenersatz für einen Mercedes-Stern, den einer der Elftklässler von ihrem Auto abgebrochen hatte. Die Mercedes-Fahrer gingen zwar ziemlich rabiat vor, aber die Eisenstangen und Baseballschläger, die die Feriengäste gesehen haben wollten, entpuppten sich als Holzlatten und Taschenlampen.

Es ist nicht das erste Mal, dass sich Polizeimeldungen über angeblich fremdenfeindliche Überfälle in Brandenburg als erfunden herausstellen. Erinnert sei nur an die angebliche Entführung und Folterung einer Frau aus Malaysia in Schildow bei Berlin oder das von einem Mädchen gemeldete Einritzen eines Hakenkreuzes in ihre Wange. Beides entsprach nicht der Wahrheit. Und doch müssen Polizei und Medien bei derartigen Schilderungen zunächst hellhörig sein, denn solche Fälle gab es ja tatsächlich schon. Potzlow und Wittstock genügen da als Stichworte. Wo ein 16-Jähriger gequält, totgetreten und anschließend in einer Jauchegrube verscharrt wird oder ein Aussiedler aus Kasachstan vor einer Disko eine Attacke durch einen Stein nicht überlebt, ist die Sensibilität für diese Themen hoch.

Leider regen die Nachrichten aber auch die Fantasie der angeblichen Opfer an, wie in Kemnitz geschehen. Auf der Strecke bleibt das Ansehen von Brandenburg als Ausflugs- und Urlaubsziel. Denn so eine Meldung von einer anscheinend wahllos die Gäste terrorisierenden Schlägertruppe setzt sich fest in den Köpfen. Das kleine Kemnitz jedenfalls wird noch lange gegen seinen vor acht Tagen zu Unrecht ruinierten Ruf kämpfen.

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