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Brandenburg: Sanierung: Gute Aussichten

Einwohner und Touristen von Potsdam können wieder in die Luft gehen. Das geschieht ganz ungefährlich, wenn auch nicht völlig ohne körperliche Anstrengung.

Einwohner und Touristen von Potsdam können wieder in die Luft gehen. Das geschieht ganz ungefährlich, wenn auch nicht völlig ohne körperliche Anstrengung. Viele Treppen müssen bestiegen werden, um eine herrliche Aussicht über die Stadt und ihre Umgebung zu genießen. Denn Potsdam erhält schrittweise seine historischen Aussichtspunkte zurück. Den Anfang macht am kommenden Sonnabend der Westturm des Belevedere auf dem Pfingstberg. Im September folgen der Normannische Turm auf dem Ruinenberg nördlich von Schloss Sanssouci und das Belvedere auf dem Klausberg in der Nähe der Orangerie. Einen Turm besitzt schließlich auch das Krongut Bornstedt am Rande von Park Sanssouci, das im Spätsommer wieder von der Öffentlichkeit betreten werden darf. Grafik: Historische Aussichtstürme Die Häufung solcher nicht ganz selbstverständlichen Termine in den nächsten Monaten hat einen einfachen Grund. Die Bundesgartenschau vom 21. April bis zum 7. Oktober hat die Herzen vieler Menschen und damit zahlreiche Geldtaschen geöffnet. "Mit unseren Mitteln allein hätten wir das nicht geschafft", sagt Hans-Joachim Giersberg, als Generaldirektor der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten auch Herr über die bislang nicht im Programm der Reisegruppen stehenden Bauten. Vor allem die Millionenspenden des Hamburger Versandhausgründers Werner Otto haben das noch im jüngsten Potsdamer Stadtplan als Ruine bezeichnete Belvedere auf dem Pfingstberg wieder ins Bewusstsein der Öffentlichkeit gerückt. Nach dem Eröffnungsfest am Sonnabend um 11 Uhr können das Eingangsportal, die Freitreppen, das Römische Kabinett und über eine Wendeltreppe erstmals seit den fünfziger Jahren auch der Westturm besucht werden.

Bei klarer Sicht soll sogar der Fernsehturm am Alexanderplatz auszumachen sein. Dieser weite Blick in die Landschaft führte nach dem Mauerbau 1961 zur Sperrung des ohnehin baufälligen Gebäudes. Niemand sollte mehr in den Westen schauen dürfen. Als Betreiber des neuen Ensembles, das bald durch den Ostturm komplettiert wird, suchte Professor Giersberg eine zumindest in Potsdam gut bekannte Gruppe aus. "Der Förderverein Pfingstberg hat sich den Zuschlag redlich verdient", sagt der 63-Jährige.

Von dem Verein war noch vor der Wende die Idee zur Wiederherstellung des zwischen 1849 und 1852 erbauten Aussichtsschlosses ausgegangen. Giersberg erinnerte sich, dass er erstmals 1987 mit dem Initiator Wieland Eschenburg über die Restaurierung der verfallenen Anlage gesprochen hatte. Im Januar 1988 gründeten dann 25 junge Potsdamer, unter ihnen der heutige Oberbürgermeister Matthias Platzeck, die Arbeitsgemeinschaft Pfingstberg unter dem Dach des Kulturbundes - argwöhnisch von der Stasi beobachtet. Künftig sollen im Belvedere kulturelle Veranstaltungen stattfinden.

Das andere Belevedere auf dem Klausberg leuchtet nur aus der Ferne unbefleckt. Beim Näherkommen zeigen sich Schäden im Mauerwerk. "Ich kann mich an drei feste Termine der Eröffnung erinnern", erzählte gestern eine Gärtnerin am Fuße des zwischen 1770 und 1772 nach dekorativen Spätstil des Rokoko errichteten Baus. "Immer wieder wurde das Fest verschoben. Auch diesmal ist wohl nur die erste Etage zur Besichtigung frei." Die Pressestelle der Schlösser-Stiftung nannte gestern den 16. September als Termin für die Freigabe zur Besichtigung. Das Klausberg-Belvedere war in den letzten Kriegstagen ausgebrannt.

Offensichtlich bringen alte Gemäuer oft den ursprünglichen Zeitplan von Architekten durcheinander. Denn auch der Normannische Turm auf dem Ruinenberg sollte schon am 1. Juni einen Blick über das Buga-Gelände, den Park Sanssouci und bis nach Werder ermöglichen. Nun ist vom Herbst die Rede. Das Geld für die vor zwei Jahren begonnene Restaurierung des 23 Meter hohen Turmes - er war 1945 durch Artilleriebeschuss ebenfalls in Brand geraten - kommt aus Landes- und Bundeskassen.

Fast völlig aus dem Blickwinkel der Einheimischen war das Krongut Bornstedt in der Ribbeckstraße verschwunden. Touristen verirrten sich ohnehin nicht hierher, obwohl sich die Prachtbauten und Parks nur einen Steinwurf entfernt befanden. Doch das ehemalige Mustergut mit Brau- und Brennhaus, Wasch- und Backhaus, einem Herrenhaus und anderen Gebäuden verkam in DDR-Zeiten zu Lagerplatz für Chemikalien und einem Stellplatz für Bürocontainer. Bis August soll das idyllisch am Bornstedter See gelegene Gut für 24 Millionen Mark als Kultur- und Tagungsstätte hergerichtet werden.

Ein Trip nach Potsdam lohnt sich also nicht nur wegen der Buga. Doch im Unterschied zur Blütenpracht bleiben die historischen Aussichtspunkte dauerhaft.

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