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Schengen-Abkommen: Im Osten geht die Grenze auf

Die Passkontrollen zwischen Deutschland und Polen fallen am 21. Dezember weg. Die Polizei ist vorbereitet, aber auch skeptisch.

Der weiße Kleintransporter auf der Landstraße nach Posen muss anhalten. Jacek Sylwestrzak vom polnischen Grenzschutz winkt ihn auf den Parkplatz. Der Polizist sammelt Pässe und Fahrzeugpapiere ein, sein Kollege wirft einen Blick auf die Zigarettenstangen auf dem Vordersitz und leuchtet mit der Taschenlampe den Kofferraum aus. Neben den beiden Grenzschützern mit den grellgelben Westen steht die deutsche Polizistin Heike Albrecht. Die 42-Jährige zieht einen Stift aus ihrer dicken grünen Jacke. Sie ist heute fürs Protokoll zuständig.

Gemeinsame Streifen wie diese werden nach dem Schengenbeitritt Polens zum Polizeialltag gehören. Ab dem 21. Dezember fallen die Passkontrollen an den Übergängen zwischen Deutschland und Polen weg – und für viele Brandenburger baut sich eine Drohkulisse auf. Sie befürchten, dass illegale Einwanderer, Schmuggler und andere Kriminelle nun ungehindert ins Land kommen.

Ähnlich sieht das die Gewerkschaft der Polizei. Von den 1500 Polizisten, die zurzeit an der deutsch-polnischen Grenze in Brandenburg kontrollieren, soll nach den Plänen des Bundesinnenministeriums etwa die Hälfte abgezogen werden. Erst vor ein paar Tagen protestierte die Gewerkschaft deshalb in Frankfurt an der Oder. Sie befürchtet, dass das Personal künftig nicht mehr ausreicht, um die Grenzen wirksam zu schützen. „Wir erwarten, dass die Kriminalität hier steigen wird“, sagt Jürgen Stark, der Sprecher der Polizeigewerkschaft.

Die Polizei vor Ort wird künftig täglich gemeinsam ins Hinterland des jeweiligen Nachbarn fahren und dort stichprobenartig kontrollieren. Mit Übungen und Großkontrollen an Autobahnen und Bundesstraßen bereiten sich die Grenzpolizisten bereits auf den Schengenbeitritt vor. „Die Zusammenarbeit bringt heute schon viel“, meint Heike Albrecht. Schon seit 1998 ist die Polizistin zweimal im Monat mit den polnischen Kollegen unterwegs, um Erfahrungen auszutauschen. Ob sie im kommenden Jahr allerdings weiter Streife fahren wird, ist ungewiss. Wer vom geplanten Stellenabbau betroffen sein wird, steht noch nicht fest.

Martina Kessow, die stellvertretende Leiterin der dortigen Grenzbehörde, meint, dass die Grenze nach dem Schengenbeitritt sicher ist. „Wir haben intensive Kontakte und sind so gut vorbereitet, dass ich kein Sicherheitsrisiko sehe“, sagt sie überzeugt.

Auch auf der heutigen Streife suchen die Polizisten das Hinterland nach Schleusern und illegalen Einwanderern ab. Im Schritttempo steuert Jacek Sylwestrzak den Geländewagen durch Slonsk, ein Dorf 14 Kilometer hinter der Grenze. Etwa bis hierher wird das Gebiet reichen, in dem die Polizisten künftig kontrollieren dürfen. „Wenn wir ein Auto mit ukrainischem oder russischem Kennzeichen sehen, schauen wir uns das meist genauer an“, sagt Sylwestrzak. Vor einem Jahr hat er zum letzten Mal einen Ukrainer ohne Visum aufgegriffen. Sein Kollege Mariusz Karasinki hat öfter mit illegalen Einwanderern zu tun – „drei- bis viermal im Monat“, sagt er.

Im Jahr 2006 flogen insgesamt 170 sogenannte Schleusungen mit insgesamt 635 Personen auf. Auch fünf Millionen Lkw überquerten die brandenburgisch-polnische Grenze – und jedes Jahr werden es mehr. Nach dem Schengenbeitritt erwartet die Polizei sogar einen sprunghaften Anstieg. Besonderes Problem dabei: Schleuser würden immer öfter auf diesen Transportweg umsteigen.

Polen musste zwar seine Grenzen nach Osten hin völlig abschotten – mit Zäunen, Überwachungskameras und Stacheldraht. Das war die Voraussetzung für den Beitritt. Doch dass das wirklich hilft, bezweifelt die Polizeigewerkschaft noch. Bevor man die Hälfte des Personals abziehe, müsse man erst einmal sehen, ob die Kontrollen auch tatsächlich greifen.

In der deutsch-polnischen Kontaktstelle auf der Oderbrücke in Frankfurt laufen die Vorbereitungen auf den 21. Dezember auf Hochtouren. An den Schreibtischen sitzen sich je ein deutscher und ein polnischer Polizist gegenüber. Gemeinsam beantworten sie Fragen der Berliner und Warschauer Behörden, überprüfen Dokumente oder machen die Halter gestohlener Autos ausfindig. Nach dem Schengenbeitritt Polens werden sie in ein neues deutsch-polnisches Sicherheitszentrum an der Autobahngrenze bei Swiecko umziehen, das als eine Art Notfallzentrale funktionieren soll. „Wenn ein Auto in Berlin gestohlen wird, geben die Kollegen in Swiecko das Kennzeichen an die Beamten an der ukrainischen Grenze weiter“, sagt die stellvertretende Amtsleiterin Martina Kessow.

Inzwischen hat Jacek Sylwestrzak die Männer in dem weißen Kleintransporter kontrolliert. Er hat dazu ihre Personalien per Funk an die Zentrale am Grenzübergang in Küstrin-Kiez weitergegeben, dort werden die Daten in das neue Schengen-Informationssystem II eingegeben. In der europaweiten Datenbank sind Vorstrafen und laufende Fahndungen gespeichert. Spektakuläres haben die Polizisten dabei heute nicht entdeckt.

Sonja Volkmann-Schluck

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