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Bis das Magazin leer war. Acht Mal schoss der Polizist Reinhard R. auf den mit Haftbefehl gesuchten Dennis J. Nach der Tat untersuchte die Polizei das Auto, in dem J. starb – die genauen Umstände sind aber nach wie vor strittig. Foto: Bernd Settnik/dpa

© dpa

Update

Schönfließ: 30 Sekunden, acht Schüsse

Prozess um den tödlich verlaufenen Polizeieinsatz von Schönfließ: Der Berliner Polizist Reinhard R. ist wegen der Schüsse auf einen Kleinkriminellen zu zwei Jahren auf Bewährung verurteilt worden.

Das Landgericht Neuruppin sprach den 36-jährigen Polizisten Reinhard R. am Samstag wegen Totschlages schuldig. Er hatte in der Silvesternacht 2008 auf den 26-Jährigen Dennis J. geschossen. Zwei ebenfalls angeklagte Kollegen wurden wegen versuchter Strafvereitelung zu Geldstrafen verurteilt.

Notwehr und Nothilfe – oder Totschlag

Doch was genau an jenem Silvesterabend 2008, eine Viertelstunde nach 18 Uhr im brandenburgischen Schönfließ geschah, das blieb auch nach den bisher neun Verhandlungstagen unklar. Befinden musste die Schwurgerichtskammer darüber, ob es Notwehr und Nothilfe war – oder Totschlag. Letzteres warf die Staatsanwaltschaft dem Polizisten vor. Selbst die Anklagebehörde ging am Ende davon aus, dass der mit mehreren Haftbefehlen gesuchte Dennis J. an jenem Abend seinen gestohlenen Wagen gestartet hatte und Reinhard R. dann acht Mal schoss, bis das Magazin seiner Waffe leer war.

Die Zeugen haben sich in ihren Aussagen widersprochen. „Der Motor war aus, als der Schuss fiel“, sagte etwa eine 15-Jährige vor dem Gericht. Eine Anwohnerin hingegen erklärte, der Motor des Wagens sei gestartet, erst dann habe sie einen Knall gehört.

Fest steht nur: Der damals 26-jährige J. wartete in der Jaguar-Limousine auf seine Freundin, aus deren Familie ein Tipp an die Berliner Fahnder kam. Der bei Vollstreckung von Haftbefehlen äußerst erfolgreiche Reinhard R. war dem Neuköllner da schon seit Wochen auf der Spur. Mit zwei weiteren Kollegen, denen vor dem Landgericht versuchte Strafvereitelung im Amt vorgeworfen wird, fuhr er nach Schönfließ. Was dann in lediglich 30 Sekunden ablief, konnten auch die Gutachter nicht genau erhellen. Zumindest ein Experte hat festgestellt, Reinhard R. stand höchstens eineinhalb Meter vom Wagen entfernt, als er durch die Türscheibe feuerte und Dennis J. traf.

Zahlreiche Ermittlungspannen

Alles andere – die Position des Wagens und des Schützen, selbst welcher Schuss der tödliche war – bleibt unklar. Ursache dafür sind wohl auch die zahlreichen Ermittlungspannen der Polizei am Tatort, etwa bei der Zeugenvernehmung oder bei der Spurensicherung. Zwei der acht Patronenhülsen wurden erst Tage später entdeckt, als die Ermittler den Hergang rekonstruieren ließen. Die Hülsen waren am Heck und in der Scheibenwischermulde am Polizeiwagen festgefroren.

Staatsanwaltschaft Kai Clement geht davon aus, dass J. zwar losgefahren war, aber keineswegs die Polizisten verletzen wollte. Daher forderte Clement in seinem Plädoyer eine Haftstrafe von dreieinhalb Jahren wegen Totschlags – allerdings nur im minderschweren Fall. Denn R. habe sich wegen einer „gewissen Bedrängnis“ in einem „affektnahen Zustand“ befunden.

Für Walter Venedey, den Verteidiger des Schützen, handelte der Beamte aus Notwehr, um seinen Kollegen zu retten. Denn der ging zu Boden, als die Limousine losfuhr. Ob der Kollege – wie es die Verteidiger darstellen – nun angefahren wurde oder stürzte, auch das ist nicht belegt.

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