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Serie Naturerlebnis Brandenburg: Auf Schatzsuche in Siehdichum

Erlebnisse zu Fuß und auf dem Rad: Das Schlaubetal bietet neben viel Natur auch noch vergrabene Kostbarkeiten.

Von der Terrasse des Ausflugslokals mit dem ungewöhnlichen Namen „Siehdichum“ fällt der Blick direkt in zwei große Vogelnester. Deren Bewohner drehen mit weit geöffneten Flügeln am Himmel zunächst einige Runden, bevor sie dann ganz elegant zur Landung ansetzen. Unter den Gästen an den Tischen entwickelt sich ein kleiner Disput darüber, was das für Tiere sind, die sich so gut beobachten lassen. Zur Auswahl stehen Störche, Fischadler, Seeadler oder Rotmilane, bevor ein offensichtlicher Stammgast sein Fernglas anbietet. „Eindeutig Graureiher“, sagt der wie ein zünftiger Wanderer gekleidete Mann. „Sehen Sie den typischen Federbusch am Kopf und den gelblichen langen Schnabel.“ Er besuche das Lokal regelmäßig und kenne sich aus. Dennoch seien die vorher genannten Namen gar nicht so falsch, meint der Mann. „Alle Arten und noch viele andere kommen im Schlaubetal vor.“

Dieser kleine Landstrich entlang der nur etwa 20 Kilometer langen Schlaube ist noch immer ein klassischer Geheimtipp. Wanderer und Radfahrer können in den bis zu 30 Meter hohen „Schluchten“, in den Erlen- und Buchenwäldern oder in den von Kiefern dominierten Revieren sowie entlang großer Seen und geheimnisvoller Moore stundenlang unterwegs sein, ohne anderen Menschen zu begegnen. Dafür lohnt es sich, auf den Ausflug zwischen Müllrose im Norden und dem Wirchensee im Süden einen Tier- und Pflanzenführer mitzunehmen. Der Steckbrief des Naturparks nennt jedenfalls 13 Orchideenarten, Dutzende Großschmetterlingsarten, Ziegenmelker, Raubwürger, Fischotter und sogar den Eisvogel.

Die Abgeschiedenheit der Region zeigt sich nicht nur in der Stille auf den Wegen und den oft idyllischen Rastplätzen. Auch die Gaststätten haben sich längst angepasst und öffnen oft nur an Wochenenden. Beinahe hätte es in dieser Saison sogar eine kleine Katastrophe gegeben, war der langjährige Pächter des Restaurants „Forsthaus Siehdichum“ nach einem Streit mit der Stiftung Stift Neuzelle als Eigentümer fast über Nacht verschwunden. Zum Glück übernahm ein Ehepaar aus einem anderen Ort kurzfristig den Gaststätten- und Hotelbetrieb.

So kennt die neue Pächterin Andrea Maßmann auch nur die in der Gegend sehr verbreitete Version über die Herkunft des ungewöhnlichen Ortsnamens. „Oberförster Wilhelm Reuter brachte um 1900 aus Nordamerika Stecklinge der Roteiche, Douglasie, der Rotbuche und anderer Exoten mit“, erzählt sie. „Er pflanzte sie in der Umgebung des Forsthauses und schuf so ein völlig neues Bild im bis dahin monotonen Kiefernwald.“ Gästen habe der Oberförster geraten, sich hier angesichts der Pflanzenvielfalt eben genau umzusehen.

Alte Chroniken vermerken den Namen allerdings schon im Jahre 1780. Ungewöhnliche Bezeichnungen sollten damals helfen, Schaden abzuwenden. Gern wird heute im Schlaubetal auch ein Zusammenhang mit dem bis 1990 hier residierenden Stasi-Ministerium hergestellt: „Man sollte sich umschauen, ob nicht doch irgendwo ein Spitzel lauert“, sagt ein Einheimischer.

Fast vergessen ist dagegen die Geschichte des Stasi-Oberstleutnants Günter Wurm, der zwischen 1966 bis zu seiner Verhaftung 1980 von Siehdichum aus das Imperium „Industrievertretung“ aufbaute. Von den Geschäften mit Westfirmen zweigte er massenhaft Geld und Güter ab. Als der Schwindel aufflog, grub die Stasi das halbe Schlaubetal um. Immerhin fanden sich in geheimen Depots 43 Kilogramm Gold, mehr als tausend Flaschen Schnaps, Millionen von Westzigaretten, japanische Technik, Schmuck und Münzen.

Wurm wurde zu 15 Jahren Haft verurteilt. Vielleicht blieb der eine oder andere Schatz aber bis heute unentdeckt.

Folge 2:

Das Schlaubetal

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