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Serie Naturerlebnis Brandenburg: Revierkämpfe vor den Toren der Hauptstadt

300 Jahre lang wurde die Döberitzer Heide durch verschiedene Armeen umgepflügt. Wisente, Hirsche und andere große Tiere retten jetzt mit ihrer Fresslust das Areal westlich von Berlin.

Bei diesem Anblick geriet selbst der erfahrene Tierfilmer ins Schwärmen. Immer höher stieg er auf den Hügel, um einen möglichst weiten Blick zu genießen. Dann brach die Begeisterung aus ihm heraus: „Das gibt es doch gar nicht“, meinte die Ikone des Tierfilms, Heinz Sielmann, kopfschüttelnd. „Dicht an die Großstadt grenzt hier eine schier unüberschaubare Naturlandschaft. Alles grün, so weit das Auge reicht. Das gibt es in Europa kein zweites Mal.“ Als er das Fernglas kurz von den Augen nahm, schob er einen wichtigen Satz hinterher: „Hoffentlich bleibt das immer so. Berlin braucht diese Fläche schon als Frischluftspender.“ Die Döberitzer Heide zwischen Spandau, der Autobahnauffahrt Wustermark und Potsdam hatte zweifellos sein Herz erobert.

Dieses Gespräch mit dem inzwischen verstorbenen Biologen und Kameramann fand während einer kleinen Exkursion vor 15 Jahren statt. Seine damaligen Visionen sind aufgegangen, und er selbst hat das meiste dafür getan. Seine von ihm gegründete Stiftung kaufte das 7000 Fußballfelder große Areal, um damit nicht zuletzt Projekten für Wohnparks oder Gewerbegebiete zuvorzukommen.

Trotz der Nähe zu Berlin und Potsdam reagieren die meisten Menschen beim Namen „Döberitzer Heide“ mit einem Kopfschütteln. „Nie gehört“, „Wo?“ „So nah?“, lauten dann oft die Reaktionen. Die sind durchaus verständlich, durfte doch fast 300 Jahre kein Normalbürger seinen Fuß auf das Gelände setzen. Alle nur denkbaren Armeen okkupierten die Heide für ihre Manöver.

Verbotsschilder erübrigten sich. Viel zu groß war die Gefahr, auf einen Blindgänger zu treten, in ein Bunkerloch zu fallen, in die Schießbahn zu geraten oder sich einfach in der Heide ohne ausgeschilderte Wege und Orte zu verirren. Das Dorf Döberitz, der Namensgeber für die Heide, verschwand schon um 1900 von der Landkarte. Nur am Ende des Zweiten Weltkriegs bezogen Flüchtlingsfamilien in ihrer Not für kurze Zeit die Ruinen.

An dem allgemeinem Tabu änderte sich auch nach dem Abzug der letzten russischen Soldaten 1992 nicht viel. Niemand kannte schließlich die genaue Lage der nicht detonierten Munitionsreste. Deshalb dauerte die Freigabe der ersten Wanderwege fast zehn Jahre.

Während das Gelände schrittweise immer sicherer wird, droht ihm von ganz anderer Seite Gefahr. „Die Heide gehört hier ja eigentlich gar nicht her“, sagt Lothar Lankow, Geschäftsführer der hiesigen Sielmann-Gesellschaft. „Panzer- und Artilleriegeschosse setzten einst weite Flächen immer wieder in Brand, während an anderen Stellen die Soldaten mit schwerer Technik ihre Schießbahnen von Bäumen und Sträuchern freihielten.“

Auf diesen Flächen sei dann eine völlig andere Landschaft gewachsen, die aber an die Militärpräsenz gebunden sei. „Wir mussten also nach deren Ende eine friedliche Alternative suchen und stießen auf die Fresslust großer Tiere“, erinnert sich Lankow. „Die Wahl fiel auf Wisente, Przewalski-Ur-Pferde und Rothirsche.“

Diese kräftigen und daher viel Futter vertilgenden Tiere leben nun in der Heide seit einem Jahr fast wie in freier Wildbahn. Hier kämpfen sie um ihre Reviere, bringen Nachwuchs zur Welt und fühlen sich wohl. Sie können dennoch nicht ausbüchsen, weil ein 23 Kilometer langer Elektrozaun ihr Terrain umschließt. Ein breiter Weg für Wanderer und Mountainbiker führt daran entlang und bietet unterwegs immer wieder Einblicke in die weite Landschaft und ab und zu auch auf die bis zu einer Tonne schweren Wisente.

Ganz nah kommen die Besucher den starken Tieren auf jeden Fall im Schaugehege. Zu den Fütterungszeiten zwischen 10.30 und 11 Uhr lassen sich die Tiere ihre Möhren nicht entgehen.

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