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Brandenburg: SPD-Minister gegen noch mehr Windräder

Dellmann stellt Energiestrategie des Landes infrage Kabinettskollegen werfen ihm Populismus vor

Potsdam - Ein Plädoyer von Infrastrukturminister Reinhold Dellmann (SPD) gegen neue Windkraftanlagen im Land Brandenburg hat scharfen Widerspruch in der Landesregierung ausgelöst. Am Freitag wiesen sowohl Umweltminister Dietmar Woidke (SPD) als auch Vize-Regierungschef und Wirtschaftsminister Ulrich Junghanns (CDU) die Auffassung des auch für Raumordnung zuständigen Kabinettskollegen zurück, der das Land beim Bau von Windrädern an „Grenzen gestoßen“ sieht. Dies sei ein „Querschuss“, sagte Junghanns. Wenn jeder anfange, Energieträger auszuschließen, werde „Brandenburg sein Klimaziel nie erreichen“. Die Herausforderung lasse „keinen Platz für Populismus und taktische Winkelzüge“.

Dellmann fordert, keine neuen Flächen für Windparks auszuweisen. „Ich glaube nicht, dass wir das den Brandenburgern noch zumuten können“, sagte er. Sein Vorstoß – den er allein aber nicht umsetzen kann – steht jedoch im Widerspruch zu Junghanns’ Entwurf der neuen Brandenburger Energiestrategie, die derzeit in der Regierung abgestimmt wird. Im Land drehen sich heute mehr als 2300 Windräder mit einer Leistung von zusammen 3100 Megawatt, womit Brandenburg nach Niedersachsen (4700 Anlagen, 5200 Megawatt) bundesweit an zweiter Stelle liegt. Auch deshalb tobt seit Jahren eine Debatte um die „Verspargelung der Landschaft“. 2003 hatte schon der frühere Umweltminister Wolfgang Birthler (SPD) mit einem Bekenntnis Furore gemacht: „Am liebsten würde ich alle Windkraftanlagen wieder umlegen. Sie verschandeln die Landschaft, fressen Milliarden-Subventionen, Arbeitsplätze entstehen kaum, der Strom wird teurer.“

Brandenburg ist wegen der Lausitzer Braunkohlekraftwerke aber auch deutscher Spitzenreiter beim Ausstoß des klimaschädlichen Kohlendioxids. Nach dem Entwurf der Energiestrategie will das Land bis 2020 die Kohlendioxidemmissionen von derzeit rund 60 Millionen Tonnen auf 54,6 Millionen Tonnen pro Jahr senken. Um dieses eher moderate Ziel zu erreichen, soll der Anteil erneuerbarer Energien am Primärenergieverbrauch bis 2020 auf 20 Prozent erhöht werden, wofür laut Wirtschafts- und Umweltministerium auch weitere Windkraftanlagen nötig sind. „Es ist bedauerlich, wenn man einen Energieträger herausgreift. Vorfestlegungen werden der Sache nicht gerecht“, kritisierte auch Woidke seinen Kabinettskollegen Dellmann. Einerseits sollen die bereits stehenden Windkraftanlagen nachgerüstet und leistungsfähiger werden. Doch dies ist Experten zufolge zu wenig, um die für das Klimaschutzziel nötige Verdoppelung der Leistung zu erreichen. „Bis 2020 ist mindestens das Eineinhalbfache der bisher für Windkraftanlagen ausgewiesenen Fläche erforderlich“, so das Umweltministerium. Das heißt, dass 550 statt bislang 330 Quadratkilometer für Windanlagen reserviert werden müssten.

Damit aber droht in Brandenburg zunehmend ein Kampf um Boden: Auch die Landwirtschaft soll ausgebaut werden, während andererseits die erneuerbaren Energien zusätzliche Flächen benötigen. „Das gilt auch für Solarparks oder Biomasse“, sagte Woidke. Man müsse sich von der Illusion verabschieden, dass alternative Energien konfliktfrei seien. Wer sich gegen Windkraft ausspreche, müsse sagen, wie man den Kohlendioxidausstoß sonst verringern wolle. Zwar fährt das Umweltministerium selbst durchaus eine restriktive Linie bei der Windkraft. Doch sieht Woidke weiterhin Spielräume. „Brandenburg ist ein Flächenland. Es ist möglich, alternative Energien auszubauen, ohne dass die Leute auf die Barrikaden gehen.“ Das ist auch die Position der Umweltverbände und der Brandenburger Grünen.

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