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Brandenburg: SPD will V-Mann-Gesetz ändern

Rechtspolitiker fordert, Straftaten von Spitzeln ausnahmslos zu verbieten. CDU findet das übertrieben

Von Michael Mara

Potsdam. Die SPD geht in der V-Mann-Affäre auf Distanz zu CDU-Innenminister Jörg Schönbohm. Sie stellte sich hinter Generalstaatsanwalt Erardo Rautenberg, der „erhebliche Bedenken“ gegen Schönbohms Auffassung angemeldet hatte, dass V-Leute des Verfassungsschutzes Straftaten in begrenztem Umfang begehen dürften.

Aus der CDU war der politische Beamte darauf hin gerügt und zur Mäßigung aufgefordert worden. Auch Schönbohm hatte verärgert reagiert. Offenbar auf sein Betreiben hatte die neue CDU-Justizministerin Barbara Richstein Rautenberg zum Rapport zitiert. Die SPD-Landtagsfraktion stellte gestern klar, dass der Generalstaatsanwalt als oberster Strafverfolger pflichtgemäß einen Vorstoß unternommen habe, „um Rechtsklarheit“ in seinem Verantwortungsbereich herzustellen. „Die Kritik aus der CDU ist nicht berechtigt“, sagte Fraktionssprecher Ingo Decker.

Im brandenburgischen Verfassungsschutzgesetz heißt es, dass von V-Leuten „keine Straftaten begangen“ werden dürfen. Allerdings folgt dann der Satz: „Die abschließende Aufzählung der Straftatbestände, die verwirklicht werden dürfen, erfolgt in einer Dienstvorschrift nach Vorlage in der Parlamentarischen Kontrollkommission.“ Diese Vorschrift gibt es bis heute nicht - „aus guten Gründen“, wie der rechtspolitische Sprecher Peter Muschalla sagt: „Denn sie würde etwas erlauben, was nicht zulässig ist.“ Auf Initative der SPD soll der Nachsatz deshalb gestrichen werden, „um die nötige Rechtsklarheit herzustellen“. Im Innenministerium sieht man laut Sprecher Heiko Homburg „keine Probleme“: Er gab zu, dass der Nachsatz „in der Sache bedenklich“ sei.

Hingegen sieht der innenpolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion Sven Petke und stellvertretende Parteichef keinen Handlungsbedarf. Er sprach von „nicht nachvollziehbaren Aufgeregtheiten in der SPD“.

Rautenberg in einem Schreiben an den Generalbundesanwalt und seine Kollegen in den Ländern seine Auffassung (wie berichtet) dargelegt und um deren Urteil gebeten. Die SPD-Fraktion teile den Standpunkt Rautenbergs, dass V-Leute generell keine Straftaten begehen dürften, erst recht nicht im Auftrag des Verfassungsschutzes, sagte Muschalla. Die Argumentation des Innenministers sei weder durch das Strafgesetzbuch noch durch das Verfassungsschutzgesetz gedeckt.

Laut Muschalla hat der Verfassungsschutz beim Einsatz des V-Mannes Toni S. Fehler gemacht. Denn nach Schönbohms Angaben hat der Verfassungsschutz „zugestimmt“, dass sich der V-Mann am Vertrieb neonazistischer CDs beteiligen konnte. Der Verfassungsschutz hoffte auf diese Weise, an Hintermänner heranzukommen. Auf den CDs wird zum Mord an prominenten Personen aufgerufen, auch an Rautenberg selbst. „Die Erlaubnis zum Verteilen der CDs hätte der Verfassungsschutz nicht geben dürfen“, sagte Muschalla, „schon damit sich die eigenen Leute nicht selbst strafbar machen“.

Tatsächlich hat die Berliner Staatsanwaltschaft Ermittlungen gegen den V-Mann-Führer des Toni S. aufgenommen, die jedoch an die Staatsanwaltschaft Cottbus abgegeben werden sollen. Dort waren die Akten bis gestern allerdings noch nicht eingetroffen. Gegen den V-Mann Toni S. selbst wird nach wie vor in Berlin ermittelt. Seine Verhaftung durch Berliner Sicherheitskräfte hatte zu schweren Verstimmungen zwischen beiden Ländern geführt. Berlin hatte kritisiert, dass der V-Mann im Auftrag des Verfasssungsschutzes Straftaten begangen habe. Das Potsdamer Innenministerium berief sich dagegen auf eine Ausnahmeklausel, die aber nach Ansicht von Rautenberg und der SPD nicht die Verbreitung volksverhetzender Schriften und Tonträger in der rechten Szene betrifft, sondern nur den Austausch von NS-Material zwischen Behörden und auf die Wiedergabe zu Aufklärungszwecken in Schulbüchern.

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