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Brandenburg: Streit um die Sorben wird schärfer

Steffen Reiche hält die Minderheitenpolitik der Bundesregierung für skandalös

Von Sandra Dassler

Der Bundestagsabgeordnete Steffen Reiche (SPD) hat die Minderheitenpolitik der Bundesregierung als „himmelschreiende Ungerechtigkeit“ bezeichnet. „Da gibt es keinerlei Transparenz und keine verbindlichen, weil vergleichbaren Regelungen, sondern nur Wildwuchs“, sagte der ehemalige brandenburgische Bildungsminister dem Tagesspiegel. Er forderte zugleich eine Sitzung des nationalen Minderheitenrates.

Hintergrund der Empörung des SPD-Politikers ist die Auseinandersetzung um die weitere Förderung der Sorben. Die Vertreter der slawischen Minderheit in Brandenburg und Sachsen protestieren seit Monaten gegen die Kürzungen von Fördergeldern durch den Bund und für ein langfristiges Finanzierungsabkommen. Wie berichtet, war der Bund in der vergangenen Woche nicht darauf eingegangen, sondern hatte im Gegenteil eine weitere Verminderung seiner Zuschüsse für die nächsten fünf Jahre angekündigt.

„Dieser degressive und wiederum nur kurzfristige Vertrag ist eine abenteuerliche Unverschämtheit“, sagte Reiche. Es zeuge von „empörender Ignoranz“, wenn man einem kleinen Volk, das seit mehr als tausend Jahren mitten in Deutschland alle Systeme überlebt habe, die Mittel verwehre, seine einzigartige Kultur und Sprache zu erhalten. Nur mit dem „Desinteresse und der beschämenden Ahnungslosigkeit vieler Bundespolitiker“ sei zu erklären, warum die Förderung der Sorben beim Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, Bernd Neumann (CDU), angesiedelt sei und nicht – wie bei anderen Minderheiten – im Bundesinnenministerium.

„Höchstrangige Bundesvertreter wissen ganz genau, dass die Minderheitenförderung in Deutschland ein wirklicher Skandal ist“, sagte Reiche. So erhielten die Nordschleswiger, die deutsche Minderheit in Dänemark, pro Kopf viermal so viel Zuschüsse wie die Sorben. „Und die haben im Gegensatz zu den Sorben ein Mutterland. Die brauchen nur über die nahe gelegene Grenze zu fahren, um deutsche Zeitungen lesen zu können oder deutsche Schulen zu besuchen. Trotzdem werden ihre Schulen und Zeitungen gefördert, daran nimmt offenbar kein Rechnungshof Anstoß“, kritisierte Reiche. Auch der Vorsitzende der sorbischen Dachorganisation Domowina, Jan Nuck, beklagte, „dass viele Politiker meinen, die Sorben seien eine eierbemalende Folkloregruppe oder eine Art slawische Landsmannschaft“.

Die 60 000 Sorben versuchen, durch Sprachunterricht in Schulen und Kitas, durch moderne Kunst, Musik und Literatur ihre Kultur zu bewahren. Dazu benötigen sie nach eigenen Angaben 16, 4 Millionen Euro im Jahr. Bis 2007 wurden diese Gelder zur Hälfte vom Bund sowie von Brandenburg und Sachsen aufgebracht. Während die Länder die bisherige Förderhöhe beibehalten, zieht sich der Bund immer mehr zurück. Sandra Dassler

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