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Brandenburg: Streit um "Kopfnoten" entzweit die Brandenburger SPD

POTSDAM .Offener Streit in der Brandenburger Sozialdemokratie um die künftige Bildungspolitik: Bildungsministerin Angelika Peter (SPD) wies gestern einen überraschenden Vorstoß von SPD-Landeschef und Kulturminister Steffen Reiche zurück, der für die Einführung von sogenannten "Kopfnoten" plädierte, mit denen Mitarbeit, Fleiß und Betragen der Schüler zensiert werden sollen.

POTSDAM .Offener Streit in der Brandenburger Sozialdemokratie um die künftige Bildungspolitik: Bildungsministerin Angelika Peter (SPD) wies gestern einen überraschenden Vorstoß von SPD-Landeschef und Kulturminister Steffen Reiche zurück, der für die Einführung von sogenannten "Kopfnoten" plädierte, mit denen Mitarbeit, Fleiß und Betragen der Schüler zensiert werden sollen.Reiche sprach sich ferner für ein Zentralabitur statt der bisher differenzierten Prüfungen an jeder Schule sowie für eine Verkürzung der Abiturausbildung von 13 auf zwölf Jahren in der kommenden Legislaturperiode aus.CDU-Landeschef Jörg Schönbohm begrüßte das Einschwenken der SPD-Führung auf langjährige CDU-Forderungen.

"Das Brandenburger Schulsystem hat erhebliche Krankheitsbefunde.Es wird von Eltern, Lehrern, Schülern nicht mehr akzeptiert", sagte Schönbohm.Reiche reagiere nur auf die Stimmung im Land.In der SPD-Landtagsfraktion, wo man über die neuerliche "Beschädigung der Bildungsministerin" aus den eigenen Reihen nicht "glücklich" ist, wollte man den offenen Kabinettsstreit wenige Monate vor der Landtagswahl nicht kommentieren.Angelika Peter sah sich erst vor kurzem mit massiven Rücktrittsforderungen der Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW) konfrontiert.Die GEW protestierte gegen die Erhöhung der Pflichtstundenzahl für Grundschullehrer.Dieser Konflikt wurde jedoch inzwischen beigelegt.Der nun weder mit Fraktion, noch dem Bildungsministerium abgestimmte Reiche-Vorstoß zeuge von "unkollegialem" Stil des Kabinettskollegen, reagierte Peter verärgert.

Zum Zeitpunkt von Reiches Aussage hatte die Bildungsministerin gerade im Landtag inhaltlich just das Gegenteil als bildungspolitische Linie der SPD-Landesregierung verkündet.Nach Auffassung Peters hat sich Reiche lediglich als "Landesvorsitzender in Persona" geäußert, ohne Rückhalt und Abstimmung in der Partei.Unklar ist, ob der Reiche-Vorstoß mit Ministerpräsident Manfred Stolpe abgestimmt war.Während dies im Umfeld Reiches bejaht wird, erklärte Bildungsministerin Peter, Stolpe habe ihr das Gegenteil versichert.Peter und ihr Staatssekretär Peter Szymanski rechnen nach eigenen Angaben trotz der Reiche-Ankündigungen nicht mit einer "Kehrtwende der SPD-Bildungspolitik".In der Sache sprach sich Peter, die die Einführung der Kopfnoten ablehnt, für eine Fortentwicklung des derzeitigen Beurteilungsmodells aus.Die Verkürzung der Abiturzeit auf zwölf Jahre müsse sorgfältig vorbereitet werden.Strikt wandte sich Peter auch gegen den Vorschlag Reiches, an ausgewählten Schulen im Speckgürtel ähnlich wie in Berlin einen Übergang zum Gymnasium schon nach der vierten Klasse (bisher nach der sechsten Klasse) zu ermöglichen."An der sechsjährigen Grundschule in Brandenburg gibt es nichts zu rütteln", sagte Peter.

CDU-Bildungsexpertin Carola Hartfelder äußerte dagegen die Vermutung, daß Reiche mit seinen Ankündigungen die SPD "nur über die Landtagswahl" retten wolle.Sie erinnerte daran, daß die SPD erst vor einem halben Jahr gezwungen war, eine Reihe von CDU-Bildungsforderungen für mehr Mathematik-, Deutsch- und Fremdsprachenunterricht und Einführung einer Prüfung nach der zehnten Klasse aufzugreifen.Dies war zuvor jahrelang von Lehrer-, Eltern- und Schülerverbänden, von Wirtschaft und Universitäten, aber auch von der CDU- und PDS-Opposition im Landtag vergeblich gefordert worden.Erst kürzlich hatte Ministerpräsident Manfred Stolpe eingeräumt, daß Brandenburgs derzeitiges Schulsystem den Herausforderungen des neuen Jahrhunderts "nicht gewachsen" ist.

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