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Brandenburg: Tanz für Toleranz: Der Techno wird politisch

Techno gegen rechts? Das klingt wie Marzipan gegen Hungersnot.

Techno gegen rechts? Das klingt wie Marzipan gegen Hungersnot. Doch Anja Schneider vom Radio Fritz in Potsdam findet: "Was Udo Lindenberg kann, können wir schon lange." Gesagt, gescratcht: Wenn an diesem Sonnabend der Altrocker im Berliner Velodrom die "Rock gegen rechte Gewalt"-Tournee abschliessen wird, legen bei Radio Fritz Techno-DJs mit der selben Absicht ihre Platten auf. Ab 14 Uhr werden 24 Plattentellerkünstler 24 Stunden lang für Gastfreundschaft und Toleranz werben. Mit von der Partie sind zahlreiche Koryphäen der Berliner Techno-Szene wie Love-Parade-Gründer Dr. Motte, Paul van Dyk oder DJ Tanith. Eine Begleitparty gibt es nicht, die Aktion bleibt auf den Äther beschränkt.

Die Techno-Bewegung hat bisher nur dann behauptet, politisch zu sein, wenn es darum ging, eine Bewilligung für die Love Parade zu erhalten. Doch eigentlich war die Losung stets: Freiheit, Gleichheit, Gleichgültigkeit. Solang genügend Beats per Minute aus den Lautsprechern wummern, ist für den Raver die Welt in Ordnung. Die Generation der Tanzwütigen ist dafür oft kritisiert worden, so etwa von der Soziologin Annette Weber, die im Aufsatz "Minaturstaat Rave-Nation" ein vernichtendes Fazit zieht: "Das politische Potenzial der Techno-Gemeinde beschränkt sich darauf, eine konsumfreudige Generation von dynamischen Käufern vorzuführen."

Das soll nun alles anders werden. Der Berliner DJ Tanith, der eigentlich Thomas Andrezah heißt, will Versäumtes nachholen: "Da tanzen tausend Kids zu meinen Beats und gucken zu mir hoch. Denen kann ich doch was mitteilen." Techno-DJs seien für viele Jugendliche Identifikationsfiguren, würden ihre Vorbildfunktion aber zu wenig wahr nehmen, meint auch Simon Kidder alias DJ Emerson. "Es kommen viele Unentschlossene, Orientierungslose in die Clubs. Und wir können dazu beitragen, dass die nicht auf die falsche Seite kippen." Sprich: nicht nach rechts. Parties müssten deswegen nicht zu Parteiversammlungen verkommen, relativiert Holger Gutwald, auch DJ Holgi-Star genannt: "Ich werd sicher nie mit Flyern von der Grünen Partei in den Club marschieren und zwischen zwei Sets darüber diskutieren, ob man noch Rindfleisch essen soll oder nicht. Techno bleibt ideologiefreie Zone." Aber ein klares Statement gegen rechts, das dürfe und müsse schon sein.

Techno werde nicht zuletzt deshalb als unpolitisch betrachtet, weil diese Musik ohne Text auskommt. "Als Hiphopper kannst du deine Messages ins Mikro brüllen, am Plattenteller ist das schon schwieriger", gibt DJ Tanith zu bedenken. Auf Radio Fritz allerdings werden die DJs nicht nur schweigend mit Vinyl jonglieren, sondern zwischendurch ihre Meinung zum Besten geben und von persönlichen Erfahrungen mit Rechtsradikalismus erzählen. Dass "rechte Glatzköpfe" nicht mit einer 24 Stunden langen Techno-Gehirnwäsche bekehrt werden, ist Tanith klar. "Die Schläger werden sich kaum vors Radio setzen und sagen: Hey, der hat recht, Fremdenhass ist scheisse."

"My house is your house" heißt die Aktion nach einer berühmten Techno-Hymne aus dem Jahr 1990. "Dieser Titel fasst eigentlich schon alles zusammen, worauf es Fritz ankommt", heißt es beim Radiosender. In der Techno-Kultur gehörten Offenheit und Toleranz zu den tragenden Werten, meint Fritz-Programmmanagerin Anja Schneider. "Techno bedeutet Party. Und gerade Parties bringen Leute aller Nationalitäten und Hautfarben zusammen." Unterstützt wird der Musik-Marathon von "No historical backspin" und "Stop & think", zwei Vereinigungen der elektronischen Musikszene gegen Fremdenhass.

Guido Egli

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