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Templin: Politiker sollen nichts von Naziszene gewusst haben

Der Templiner Bürgermeister Ulrich Schoeneich wehrt sich gegen die Vorwürfe, im Rechtsextremismus-Fall inaktiv gewesen zu sein: Polizei und Justiz hätten ihn nicht über die Umtriebe in der eigenen Stadt informiert, klagt er.

Nach dem Mord an einem Arbeitslosen und der Misshandlung eines 16-Jährigen durch junge Rechtsradikale in Templin wächst die Kritik an Bürgermeister Ulrich Schoeneich (parteilos). Breite Empörung löste am Donnerstag eine öffentliche Erklärung von Schoeneich und der Stadtverordnetenversammlung aus, in der Polizei, Staatsanwaltschaft und Verfassungsschutz vorgeworfen wird, die Templiner Kommunalpolitik „in den letzten Jahren“ über das „Treiben einiger weniger Rechtsradikaler und deren Straftaten völlig im Unklaren gelassen“ zu haben. Man fühle sich daher jetzt „zu Unrecht“ als „ahnungslos“ und „inaktiv“ gebrandmarkt.

Diesen Templiner Umgang mit dem Problem des Rechtsradikalismus kritisierte Heilgard Asmus, Generalsuperintendentin in Cottbus und neue Vorsitzende des Landes-Aktionsbündnisses gegen Rechtsextremismus, Gewalt und Fremdenfeindlichkeit, scharf: „Wer verantwortungsbewusst handelt, ist verpflichtet, sich selbst zu informieren“, sagte Asmus. „Wer informiert werden will, erst recht als Amtsträger, erhält auch Informationen. Und gute Kommunalpolitik kennt die Situation vor Ort ohnehin selbst am besten.“ Asmus warf Schoeneich und den Templiner Kommunalpolitikern „Vogel-Strauß-Politik“ vor. „Wenn man nichts weiß, gibt es kein Problem.“ Statt sich mit Rechtsradikalismus in der Stadt auseinanderzusetzen, werde der Schwarze Peter weitergegeben. „Ich halte das für gefährlich“, sagte Asmus. Sie erinnerte daran, dass Templin schon auf den Mord an dem Arbeitslosen am 22. Juli spät reagiert habe. Bürgermeister Schoeneich hatte damals sogar zunächst bestritten, dass es überhaupt eine nennenswerte rechte Szene in der Stadt gebe.

Breite Empörung über die Templiner Beschwerde

Dabei ist Templin für brandenburgische Verhältnisse durchaus eine Hochburg der Rechtsradikalen. „Die Szene in Templin ist zahlreich. Sie unterscheidet sich von Prenzlau oder Schwedt durch eine hohe Gewaltbereitschaft“, sagt Verfassungsschutzchefin Winfriede Schreiber, die in Templin beim Kampf gegen Neonazis „eine gewisse Befangenheit und Defizite“ sieht. Der Verein „Opferperspektive“ hat in der 17 000-Einwohner- Stadt in der Uckermark in den letzten 12 Monaten allein 10 rechtsmotivierte Gewaltstraftaten registriert. Templin nähere sich damit dem Niveau von großen Städten wie Cottbus, sagt Johanna Kretschmann von der „Opferperspektive.“ Wer mit offenen Augen durch Templin gehe, könne regelmäßig rechtsextremistische Schmierereien sehen – und Angehörige der rechten Szene. „Es ist die Pflicht eines Bürgermeisters, sich über Entwicklungen in der eigenenen Stadt auf dem Laufenden zu halten“, sagte sie.

Auch Innenministerium und Justiz wiesen den Templiner Vorwurf mangelnder Information „mit Nachdruck“ zurück. Der Sprecher des Innenministeriums, Geert Piorkowski, nannte die Kritik unverständlich, da die Polizei eng mit der Stadtverwaltung von Templin zusammenarbeite und sich regelmäßig über das Lagebild – auch im Kampf gegen Rechtsextremisten – austausche. Die Neuruppiner Staatsanwältin Lolita Lodenkämper sagte, ihre Behörde habe bei Schoeneich kein besonderes Informationsbedürfnis erkennen können. Im Gegensatz zu anderen Bürgermeistern habe er bislang keine Informationen zu rechtsextremistischen Delikten angefordert – auch nicht nach dem Mord am 22. Juli.

Aber auch in Templin bewegt sich etwas. Am 23. August soll es in der Kleinstadt eine Gedenkveranstaltung für den Getöteten geben.

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