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Brandenburg: Umkämpfte Schweinemastfarm soll kleiner werden

Nach Protesten speckt der Investor seien Pläne für Ablage in Haßleben ab Deshalb verzögert sich die Genehmigung – und das ärgert die Befürworter

Von Sandra Dassler

Haßleben - „Dass die Behörden nicht entscheiden – das ist die wirkliche Schweinerei“, schimpft Sylke Skomrock: „Ich habe deshalb meine Arbeit verloren.“ Die 43-Jährige wohnt im uckermärkischen Haßleben, rund 80 Kilometer nördlich von Berlin. Hier will der holländische Investor Harrie van Gennip eine der größten Schweinemastanlagen Deutschlands errichten – mit 85 000 Tieren. Eigentlich wollte das Landesumweltamt in diesen Tagen über die Genehmigung für das höchst umstrittene Projektes entscheiden. Doch daraus wird vorerst nichts.

„Der Investor hat nachgebessert“, begründet das ein Sprecher des Agrarministeriums: „Wir müssen nun die neuen Vorschläge genau prüfen.“ Welche Vorschläge Harrie van Gennip der Behörde machte, dazu wollte er sich nicht äußern.

Der Beauftragte des Investors, Unternehmensberater Helmut Rehhahn, sagte dem Tagesspiegel, es gehe vor allem um drei Punkte: So werde überlegt, die Zahl der Tiere und damit den über ihre Exkremente in die Luft und den Boden transportierten Stickstoff zu reduzieren. Außerdem wolle man zum Schutz des Kuhzer Sees eine Kläranlage bauen und einen Lärmschutzwall errichten, weil „die Lüftungsanlagen in den Ställen zu laut sind“.

Die Gegner lehnen die Schweinemastanlage aber auch in abgespeckter Form ab. Seit Jahren gibt es erbitterten Streit über das Projekt. „Schweine-KZ“ nennen es Tierschützer: Zigtausende von Muttertieren würden in engen Einzelbuchten gehalten, die kaum eine Bewegung erlauben und die das Schwein nur verlässt, um zum Schlachter transportiert zu werden. Von tiergerechter Haltung könne da keine Rede sein. Noch schwerer wögen aber die rund 500 Kubikmeter Gülle, die täglich anfallen und die Umwelt belasten. Einige Anwohner fürchten vor allem die extreme Geruchsbelästigung – für sich selbst und für Touristen, die an der Uckermark nicht zuletzt die frische Landluft schätzen.

„Zum Glück sehen immer mehr Leute ein, dass eine solche Anlage kontraproduktiv für den Tourismus in der Region wäre“, sagt Gert Müller. Er ist Mitglied der Bürgerinitiative „Kontra Industrieschwein Haßleben“. Die kämpft nicht nur gegen die riesige Mastanlage, sondern auch gegen die Behauptung, bei den Gegnern des Projekts handele es sich um Wochenendgäste aus Berlin, die sich die Landluft nicht vermiesen lassen wollten. „Ich habe schon zu DDR-Zeiten gegen die Schweinemastanlage gekämpft,“ sagt Ernst Pries, einer der Gründer der Bürgerinitiative. „Damals wurden hier sogar knapp 150 000 Tiere gemästet.“

Pries, der als Forstwissenschaftler arbeitete, hat schon damals die extremen Auswirkungen der Massentierhaltung auf die Umwelt nachgewiesen: Stickstoff, Phosphor, Kali und andere Reststoffe dringen fünf bis sechs Meter tief in den Boden ein, gelangen ins Trinkwasser, die Badeseen und den Waldboden.

„Es ist pervers“, sagt Pries: „Die Natur wird beschädigt, obwohl es keinen Bedarf an Schweinefleisch gibt. Im Gegenteil: Die EU zahlt wegen der Überproduktion 31 Euro Subventionen pro hundert Kilo exportiertes Schweinefleisch. Und das wird in Asien oder Afrika so billig verkauft, dass die Tierzüchter dort pleitegehen.“ Der Investor kassiere nicht nur diese Subventionen, sagt Pries, sondern habe zuvor Prämien für die Schließung seiner Anlagen in Holland eingesteckt. „Dort sind die Böden schon völlig verseucht.“

Sylke Skomrock kann diese Argumente nicht nachvollziehen. Sie hat zu DDR-Zeiten in der Schweinemast gearbeitet. Als die Anlage Anfang der 90er Jahre stillgelegt wurde, verlor sie ihre Arbeit wie viele hier. Der neue Investor, der die alten Gebäude nutzen will, hat ihnen wieder Hoffnung auf Arbeit gegeben. Viele engagieren sich deshalb in der Interessengruppe „Pro Schwein – für Arbeitsplätze und sozialen Ausgleich“. Sylke Skomrock hat für van Gennip zwei Jahre in einem Versuchsstall gearbeitet, der nun geschlossen wurde, weil es keine Entscheidung gibt. Deshalb ist sie sauer auf die Behörden.

„Mit dem Argument Arbeitsplätze kann man hier alles rechtfertigen“, sagt Gert Müller von „Kontra Industrieschwein“: „Da werden schon Stellenanzeigen geschaltet, um den Leuten Hoffnung auf Jobs zu machen und damit wieder politischen Druck auszuüben.“ Im Umweltamt lasse man sich dadurch aber nicht beeindrucken, sagt ein Sprecher: „Wir entscheiden allein nach dem Bundesemissionsschutzgesetz.“

Für den Fall, dass keine Genehmigung erteilt wird, hat der Beauftragte des Investors, Helmut Rehhahn, allerdings bereits rechtliche Schritte angekündigt: „Der Gemeinderat ist eindeutig für die Anlage“, argumentiert er.

Mit solchen Äußerungen sollte sich Rehhahn besser zurückhalten, sagen seine Gegner. Und verweisen darauf, dass der ehemalige SPD-Landwirtschaftsminister von Sachsen-Anhalt momentan vor Gericht steht. Laut Anklage soll er die Bürgermeisterin von Mahlwinkel bei Magdeburg im Dezember 2005 mit 20 000 Euro bestochen haben, um sich ihr Wohlwollen für eine ähnliche dort geplante Massentierhaltungsanlage zu sichern.

Rehhahn bestreitet das: „Wir bieten den Gemeinden immer an, sie finanziell zu unterstützen“, sagte er dem Tagesspiegel: „Die 20 000 Euro waren für kommunale Projekte gedacht, nicht für die Bürgermeisterin persönlich.“ Die Bürgermeisterin sagte indes vor Gericht, das Geld sei ihr persönlich angeboten worden.

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