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Brandenburg: V-Mann enttarnt: Der Verräter der braunen Terroristen

Herber Rückschlag für den brandenburgischen Verfassungsschutz: Mit der Enttarnung eines V-Mannes verliert die Behörde eine ihrer wichtigsten Informationsquellen in der braunen Szene. Carsten S.

Von Frank Jansen

Herber Rückschlag für den brandenburgischen Verfassungsschutz: Mit der Enttarnung eines V-Mannes verliert die Behörde eine ihrer wichtigsten Informationsquellen in der braunen Szene. Carsten S. galt als Idealbesetzung, da er in Königs Wusterhausen sowohl in der NPD wie im Milieu der Neonazis eine führende Rolle spielte. Auch wenn der V-Mann mit dem Decknamen "Piato" letzte Woche laut "Spiegel" vom Verfassungsschutz "abgeschaltet" wurde, kommen auf das Innenministerium enorme Kosten zu: Um einen hochkarätigen Zuträger vor der Rache einstiger Kumpane zu schützen, müssen Summen bis zu einer Million Mark aufgewendet werden.

Unangenehm ist auch die Suche nach einer undichten Stelle im Sicherheitsapparat, derer sich der "Spiegel" bedient haben könnte. Entsprechende Ermittlungen waren schon im Gange, bevor das Nachrichtenmagazin seine Enthüllungen präsentierte: Letzten Freitag rückten Beamte des Landeskriminalamts in der Nähe von Königs Wusterhausen zu einer Hausdurchsuchung an. Gefahndet wurde nach Informationsmaterial, das ein Staatsschützer des Polizeipräsidiums Potsdam weitergegeben haben soll.

Die Bedeutung von Carsten S. für Brandenburgs Verfassungsschutz wird bei einem Blick auf die Biographie des Neonazis rasch deutlich. Schon kurz nach der Wiedervereinigung fiel S. den Behörden auf, als er Kontakt zu den Kapuzenmännern des "Ku-Klux-Klan" aufnahm. Mitglieder der rassistischen Bewegung aus den südlichen Bundesstaaten der USA kamen 1991 nach Königs Wusterhausen und führten das makabere Ritual der Holzkreuz-Verbrennung auf. Es gelang jedoch nicht, einen Ableger des "Ku-Klux-Klan" in Brandenburg zu installieren.

Unter Mitwirkung von Carsten S. konnte indes die Neonazi-Gruppierung "Nationalistische Front" (NF) Strukturen in der Region Königs Wusterhausen aufbauen. Das Ende 1992 vom Bundesinneminister ausgesprochene Verbot der NF hinderte S. nicht daran, sich weiter an der Veranstaltung von Skinheadkonzerten und der Produktion des Fanzines "United Skins" zu beteiligen. Aus dem Umfeld der Publikation entstand die gleichnamige Gruppe, die bis heute aktiv ist.

Nahezu logisch erscheint da die schwere Straftat, die Carsten S. fünfeinhalb Jahre Haft einbrachte. Im Mai 1992 feuerte der damals 21 Jahre alte Neonazi mit den Rufen "Sieg Heil" und "Ku-Klux-Klan!" einen Kumpan an, der in Wendisch-Rietz den nigerianischen Asylbewerber Steve Ereni zusammenschlug. Das Opfer wurde zudem in den nahen Scharmützelsee geworfen und überlebte nur, weil der Türsteher einer Diskothek hinterhersprang. 1995 verurteilte das Landgericht Frankfurt (Oder) Carsten S. wegen versuchten Mordes zu acht Jahren Haft. In der Urteilsbegründung bescheinigte die Strafkammer dem Neonazi, seine menschenverachtende Gesinnung sei tief verfestigt.

Im Jahr zuvor hatte Carsten S. sich allerdings dem Verfassungsschutz als Informant angeboten. Das Innenministerium nahm an und zahlte dem V-Mann "Piato" monatlich bis zu 1000 Mark. Carsten S. wollte sich denn auch 1995 im zweiten Prozess gegen den Brandstifter Silvio J. nützlich machen. Dieser hatte Ende 1992 das bezugsfertige Asylbewerberheim in Dolgenbrodt angezündet und war dafür von Dörflern bezahlt worden. Die belastende Aussage von Carsten S., für die ihm die Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) die Einstellung eines Verfahrens angeboten haben soll, wurde jedoch vom Landgericht im Urteil nicht berücksichtigt.

Von größerem Wert waren die Informationen, die S. über den Aufbau terroristischer Strukturen liefern konnte. Carsten S. zählte mindestens zum Umfeld der "National-Revolutionären Zellen", die 1999 in der Neonazi-Publikation "Hamburger Sturm" den bewaffneten Kampf propagierten. Vorbild der "Zellen" ist die britische Terrorgruppe "Combat 18". Sie soll für Bombenanschläge verantwortlich sein, die im Frühjahr 1999 London erschütterten. Nähe zu den Terroristen demonstrierte S. beim jüngsten Neonazi-Aufmarsch in Königs Wusterhausen: Am 17. Juni prangte auf seinem T-Shirt "Combat 18".

Der Tagesspiegel hat zudem Hinweise, dass S. über Silvester mit drei anderen Mitgliedern der "United Skins" bei der schwedischen Terrorgruppe "Nationalsocialistisk Front" weilte. Die Clique schickte dem Vize-Chef der brandenburgischen PDS, Stefan Ludwig, eine Karte mit "Front"-Aufkleber und kündigte "ein neues Kampfjahr" an.

Trotz der zur Schau gestellten Gesinnung hat S. möglicherweise den Behörden Tipps zur Verhinderung von Anschlägen gegen. Im Mai schritt die Polizei ein, als ein Berliner Neonazi einem "Kameraden" aus Königs Wusterhausen ein Präzisionsgewehr verkaufen wollte. Einen Monat später wurde in Berlin ein Mann festgenommen, in dessen Keller eine Rohrbombe lag. Gewehr und Bombe sollten für Racheaktionen gegen Linke eingesetzt werden, nachdem in Königs Wusterhausen Autos von Neonazis in Flammen aufgegangen waren. Einer der Wagen gehörte S. Doch dieser Brand erscheint mysteriös. Schon Wochen vor der "Spiegel"-Story über den V-Mann mutmaßten Kenner der Königs Wusterhausener Szene, Carsten S. habe sein Auto selbst angezündet.

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