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Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig verhandelt über Nachtflüge am künftigen BBI.

© dpa

Verhandlung vor Verwaltungsgericht: Richter sehen Spätflüge am BBI skeptisch

Das Bundesverwaltungsgericht verhandelt über die Nacht- und Randzeitenflüge am BBI. Geklagt hatten betroffene Gemeinden und eine Anwohnergruppe.

Dröhnender Fluglärm, das ist kein Geräusch, das man sonst vor dem eindrucksvollen Prachtbau des früheren Reichsgerichts in Leipzig, heute Sitz des Bundesverwaltungsgerichts, zu hören bekommt. Am Dienstag war es soweit, über hundert Flughafengegner demonstrierten gegen den neuen Berlin Brandenburg Airport International (BBI) und ließen dafür Maschinen aus Lautsprechern lärmen; die Starts kamen nur vom Band, doch sollten die Richter im Justizpalast einen authentischen Eindruck davon bekommen, worüber sie noch bis einschließlich Mittwoch zu verhandeln und in einigen Wochen zu entscheiden haben. Die größten juristischen Schlachten um den BBI sind geschlagen, jetzt bleibt noch, neben den Flugrouten, der Streit um Nachtruhe und Flügen in den Randzeiten.

Als Kläger sind die Gemeinden Blankenfelde-Mahlow, Eichwalde, Großbeeren und Schulzendorf sowie eine Anwohnergruppe nach Leipzig vor Gericht gezogen, unterstützt von einer vielköpfigen Schar Bewohner aus der Region, die auch im Saal ihrem Ärger und ihrer Unzufriedenheit mit den beschlossenen Regelungen Luft machten. Sie wenden sich gegen das Brandenburger Infrastrukturministerium und den „Planungsergänzungsbeschluss“ zum BBI, dem behördlichen Nachtrag zum Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom März 2006, das den Bau unter strengen Lärmschutz-Auflagen genehmigt hatte.

Der Beschluss, für die Flughafenbetreiber ein „anwohnerfreundlicher Kompromiss“, sieht ein generelles Nachtflugverbot zu Tiefschlafzeiten zwischen Mitternacht und fünf Uhr morgens vor, Ausnahmen nur in Notfällen, für den Postverkehr und bei Staatsbesuchen. In den Randzeiten ab 22 Uhr und zwischen fünf und sechs Uhr morgens dürften bis zu 103 Flugbewegungen möglich bleiben, in der Stunde vor Mitternacht allerdings maximal 31. Den Klägern reicht das nicht. Sie wollen Ruhe von 22 bis sechs Uhr.

Der Vorsitzende Richter des Vierten Senats Rüdiger Rubel machte von Anbeginn klar, hier gehe es „nicht um eine Anhörung im Sinne von Heiner Geißler“, um eine erneute Kompromissbildung also, sondern nur um die rechtliche Kontrolle des Ergänzungsbeschlusses. Den Maßstab dafür liefert, neben dem Rücksichtnahmegebot im Luftverkehrsgesetz, das Gericht mit seinem Urteil von 2006 selbst. Danach war kein „standortspezifischer“ Nachtflugbetrieb nötig; „Und bei den Randzeiten müssen wir jetzt fragen: Gibt es einen besonderen Bedarf?“, sagte Richter Rubel. Dabei gehe es weniger um technische Dinge wie eine Verteilung des Verkehrs, sondern allein darum, ob „zusätzliche Gründe, die sich aus der Funktionsbestimmung des BBI ergeben“, dafür sprächen. Rubel stellte klar, dass hier auch wirtschaftliche Erwägungen zum Tragen kommen könnten, etwa wenn man den Flughafen speziell in seiner „Hauptstadtfunktion“ betrachte.

"Nachfrage allein zählt nicht"

Dass die Richter hier die Argumente des Ministeriums mit Skepsis bedenken, zeigte sich darin, dass „Nachfrage allein nicht zählt“. Formulierungen wie aus dem Planfeststellungsbeschluss – „der Nachtflugbedarf resultiert insbesondere aus der hohen Nachfrage des Nachtflugbedarfs“ – zögen also in der Randzeitendiskussion nicht.

Die Kläger stießen sich in der Verhandlung am Dienstag demgemäß vor allem an den Gutachten und Prognosen, mit denen Flughafen und Ministerium die Randnutzung dringlich machen. Beklagte und Betreiber schmerzt schon der Kompromiss, andere europäische Flughäfen könnten nachts angeflogen werden. Gerade Berlin, ein touristisch attraktives Ziel für Billigflieger, sei damit im Nachteil. Die Hauptstadt müsse ihre Landebahnen deshalb mindestens so lange offen halten dürfen wie Frankfurt, München oder Düsseldorf, wo ähnliche Randzeitenregelungen wie die für Berlin beschlossenen bestehen.  

Flughafenchef Rainer Schwarz zeichnet dazu ein düsteres Bild. Mehrere hundert Millionen Euro gingen der Region verloren Zehntausende Arbeitsplätze wären gefährdet. Der „Single Airport“ BBI beschalle in zwölf Jahren zudem nur rund ein Viertel so viele Menschen wie die alten Berliner Flughäfen zusammen, während sich die Zahl der Fluggäste bis dahin verdoppelt haben würde.

Ein Optimismus, den die Behörde mit ihrem „Masterplan zur Entwicklung der Flughafenstruktur“ und einem darauf aufbauenden Gutachten zum Nachtflugbedarf verteidigt. Die Kläger halten dem bereits methodische Fehler entgegen: Aus statistischen Erhebungen, nach denen, wie in Schönefeld, Nachtflug zulässig war, könne gar nicht gefolgert werden, dass man auf Nachtflug oder Randzeitennutzung verzichte. . „Das Ergebnis des Gutachtens stand von vornherein fest“, sagte ein Prozessvertreter.

Handelt es sich also möglicherweise um illusorische Annahmen und Wachstumsraten, die Euro- und Finanzkrisen sowie weitere Unsicherheiten ausblenden? Die Richter kündigten an, das Zahlenwerk nicht im Einzelnen nachprüfen, aber auf seine Plausibilität hin kontrollieren zu wollen. Bei einem Erörterungstermin im letzten Jahre hatte das Gericht bereits klar gestellt: So einfach, wie es im Ergänzungsbeschluss gemacht wurde, geht es nicht. Die Behörden und ihre Verkehrsplaner mussten nachlegen.   

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