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Brandenburg: „Verschweigen hilft nichts“

Spree-Neiße-Landrat Dieter Friese über Nestbeschmutzer-Debatten, Rassismus und Heuchelei

Die Diskussionen um die Äußerungen von Uwe-Karsten Heye gehen weiter. Der ehemalige Sprecher der Bundesregierung hatte gesagt, es gäbe Orte in Brandenburg und anderswo, wo Menschen mit anderer Hautfarbe um ihr Leben fürchten müssten. Die Potsdamer Landesregierung reagierte empört. Der Tagesspiegel hat nachgefragt, wie der Kommunalpolitiker Dieter Friese (SPD), Landrat im Kreis Spree-Neiße, die Lage beurteilt.

* * *

Was sagen Sie zur Reisewarnung von Uwe-Karsten Heye?

Der Mann hat Recht.

Dann würden Sie Menschen mit anderer Hautfarbe auch nicht raten, in Ihren Landkreis Spree-Neiße zu kommen.

Natürlich sollen sie kommen. Sie sind ja auch schon da. Aber dass sie sich an jedem Ort und in jeder Situation sicher fühlen beziehungsweise sicher sind – das kann ich ihnen ebenso wenig garantieren wie ein Landrat in Sachsen und Schleswig-Holstein. Oder ein Kommunalpolitiker in Italien, Großbritannien, Frankreich, Südafrika...

Das macht es nicht besser.

Nein, es ist überall auf der Welt verwerflich, wenn Menschen wegen ihrer Hautfarbe Angst haben müssen. Und es wird nicht besser, wenn man Leute, die darauf hinweisen, als Nestbeschmutzer beschimpft. Verschweigen hilft nichts.

Dann teilen Sie die Kritik der Landesregierung an den Heye-Äußerungen nicht?

In der Sache nicht. Was den Zeitpunkt anbelangt, kann man geteilter Meinung sein. Ich finde es heuchlerisch, wenn man so tut, als ob das Problem erst seit heute existieren würde.

In Ihrem Landkreis liegen die Städte Guben, Spremberg und Forst, die in der Vergangenheit durch Fremdenfeindlichkeit auffielen. Im kürzlich veröffentlichten Verfassungsschutzbericht gehören sie nicht mehr zu den gefährlichen Orten. Freut Sie das?

Nur bedingt. Natürlich haben wir viel getan, um die – wie die Verfassungsschützer es nennen – rechte Subkultur zurückzudrängen. Aber ich kann leider nicht ausschließen, dass es irgendwo im Landkreis Spree-Neiße zu einer rassistisch motivierten Gewalttat kommt. Auch bei uns gibt es noch kahl rasierte, hirnlose Typen.

Innenminister Jörg Schönbohm meint, die Möglichkeiten der Polizei in Brandenburg seien ausgereizt. Stimmt das?

Jedenfalls kann man nicht in und vor jede Disko Polizisten stellen. Wenn Leute darauf aus sind, Ausländer zu verprügeln, finden die auch eine Möglichkeit.

Was wurde denn im Spree-Neiße–Kreis gegen Rassismus getan?

Viele Menschen haben sich engagiert. In Spremberg gibt es einen Runden Tisch gegen Rechtsextremismus und Gewalt. Das Forster Gymnasium ist eine „Schule ohne Rassismus“. In Guben haben wir viel Geld bereitgestellt, um jungen Leuten einen funktionierenden Jugendklub zu bieten. In meiner Kreisverwaltung gab es eine Ausstellung des Bundesverfassungsschutzes zum Thema „Ausstiegsmöglichkeiten aus der Rechten Szene“.

Und gegenwärtig?

Gerade organisieren wir zum sechsten Mal die Internationale Folklorelawine, eine Veranstaltung, die von jungen Leuten sehr gut angenommen wird und über Musik und Kunst zum Abbau von Vorurteilen beiträgt. Leider wird eine großartige Folkloregruppe aus Ghana nicht nach Deutschland kommen können.

Aus Angst vor rassistischen Übergriffen?

Nein – aus Angst der Bundesrepublik, dass einer der Musiker vielleicht hierbleiben würde. Obwohl die Band bereits in Italien, Großbritannien, Frankreich und anderswo aufgetreten ist, erhalten nur zehn der zwanzig Musiker ein Visum.

Vielleicht ein Missverständnis?

Ich habe selbst mit der Deutschen Botschaft in Accra gesprochen – vergeblich. Tja, wenn es Fußballer wären. Ich kriege einen dicken Hals, wenn ich dann unsere Herren und Damen Politiker von Völkerverständigung sprechen höre. Das ist Heuchelei und nicht besser, als wenn die Fans von Energie Cottbus nur die eigenen farbigen Spieler als „die guten Schwarzen“ akzeptieren.

Das Gespräch führte Sandra Dassler

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