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Veteranentreffen: Beifall für Egon Krenz - Buhrufe für seinen Kritiker

Ex-DDR-Staatschef Egon Krenz rechtfertigt zum 20. Jahrestag des Mauerfalls auf einem Veteranentreffen die Diktatur – sein Kritiker wird ausgepfiffen.

Olaf Borchardt (55) ist am Montag noch immer in Rage. Er hatte sich extra einen Zettel für seine kurze Rede vorbereitet, damit er nicht durcheinandergerät. „Mir war klar, dass ich nicht lange erzählen kann, weil irgendwann die Buhrufe so laut werden.“ So sollte es auch kommen, als der parteilose Bürgermeister von Petershagen-Eggersdorf (Märkisch-Oderland) am Sonnabend vor die früheren DDR-Grenzoffiziere trat. Es war ein bizarres Treffen der Gestrigen: In die Giebelseehalle eingeladen hatte die Gesellschaft zur rechtlichen und humanitären Unterstützung (GRH), ein Veteranenverein von einst hochrangigen Stasi- und NVA-Offizieren, der schon mit Beleidigungen von SED-Opfern oder der Forderung nach Schließung der Stasiopfer-Gedenkstätte Hohenschönhausen aufgefallen war. Stargast war Egon Krenz (72), letzter Staats- und SED-Chef, der ausgerechnet im 20. Jubiläumsjahr des Mauerfalls seine Sicht auf die damaligen Vorgänge äußerte.

Olaf Borchardt aber wollte sich mit dem Veteranentreffen nicht abfinden. „Ich bin schon früh um fünf wach geworden und habe mir gedacht, ich kann doch nicht einfach draußen Laub harken, und die machen solche Faxen. Da musst du doch kundtun, dass dich das ankotzt“, sagt der Bürgermeister der 14 000 Einwohner zählenden Doppelgemeinde am östlichen Berliner Stadtrand.

Jedenfalls fand er deutliche Worte: „Ich heiße Sie in unserem Ort ausdrücklich nicht herzlich willkommen.“ Den Genossen sagte er ins Gesicht, er bedauere es zutiefst, dass die Veranstaltung mit rechtsstaatlichen Mitteln nicht zu verhindern gewesen sei. Dass er die Verantwortung dafür übernimmt, dass ein Verein nun in der Sporthalle sitzt, „dessen Mitglieder nach wie vor nicht einsehen, dass der Staat der DDR eine Unrechtsdiktatur war, was Veranstalter und Teilnehmer mit solchen Veranstaltungen heute auch noch agitatorisch zur Schau stellen“. Nach der Rede verließ er unter Pfiffen den Saal.

Drinnen gab es Marschmusik, Erbsensuppe und Applaus für Egon Krenz. Der rechnete mit den „Herrschenden in der Bundesrepublik“ ab, mit dem Verräter Michail Gorbatschow, einem zerstreuten Günter Schabowski und rühmte – 20 Jahre nach dem Mauerfall – die Grenzoffiziere. „Hier sitzen jene, die dafür gesorgt haben, dass aus einer Fehlinformation keine Katastrophe wurde.“ Die Grenztruppen hätten dafür gesorgt, „dass Sekt fließen konnte und kein Blut“. Eine „weltpolitische Leistung“ nannte Krenz das.

Bürgermeister Olaf Borchardt schüttelt darüber nur den Kopf. „Ich war von 1980 bis 1990 selbst überzeugter Sozialist und SED-Mitglied.“ Dann habe er sich bewusst zehn Jahre lang politisch zurückgehalten und als Rechtsanwalt gearbeitet, seit 2002 ist er Bürgermeister. „Ich habe aus der Vergangenheit gelernt, im Gegensatz zu den Teilnehmern dieses Treffens. Ich bin heute noch dabei, bestimmte Sachen für mich aufzuarbeiten.“

Am Montag sagte der Direktor der Stiftung Berliner Mauer, Axel Klausmeier: „Diese verfälschte Darstellung der Geschichte des Mauerfalls ist unerträglich. Sie verhöhnt die Opfer des DDR-Regimes und verschweigt den Mut der Bürgerrechtler.“ Alexander Fröhlich

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