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tagebau lausitz

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Volksbegehren: Lange Wege zur Demokratie

Schon wieder scheitert ein Volksbegehren in Brandenburg – wie schon alle bisherigen seit 1990. Und das liegt nicht nur am Volk.

Potsdam - Das von Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) regierte Brandenburg ist ein „direktdemokratisches Entwicklungsland“. Und das, obwohl es 1990 noch zu den Vorreitern bei plebiszitären Einflussmöglichkeiten der Bevölkerung zählte. Zu diesem Ergebnis kommt eine neue Studie des bundesweiten Vereins „Mehr Demokratie“, der die Bedingungen für Volksbegehren und Volksentscheide bundesweit verglichen hat.

„Brandenburg hat sich vom Modell- zum Problemfall entwickelt“, heißt es darin. Danach liegt Brandenburg im Ländervergleich abgeschlagen auf Platz 11, während Berlin die Tabelle zusammen mit Bayern anführt. Tatsächlich sind laut Studie die Hürden für Volksbegehren in Brandenburg deutlich höher als in Berlin, wo diese im Frühjahr 2008 abgesenkt wurden und seitdem bereits zwei Volksbegehren – eines zum Flughafen Tempelhof, das andere zu „Pro Reli“ – erfolgreich waren. In Brandenburg sind dagegen seit 1990 alle sieben Volksbegehren gescheitert, weil die nötigen 80 000 Unterschriften nicht zusammenkamen. Zurzeit steht das Volksbegehren „Gegen neue Tagebaue“ in der Lausitz, das am heutigen Montag endet, vor dem Aus. Zur Halbzeit, am Jahresende, waren nicht einmal 7000 Unterschriften zusammengekommen.

Der Hauptunterschied besteht laut Studie darin, dass in der Bundeshauptstadt und den anderen ostdeutschen Bundesländern die Unterschriften für Volksbegehren mittlerweile auf der Straße gesammelt werden dürfen. Im Flächenland Brandenburg dagegen – das ist die Hauptkritik der Studie – müssen diese Unterschriften bislang auf einem Einwohnermeldeamt geleistet werden. Dies könne angesichts ungünstiger Öffnungszeiten und langer Wege zum Hindernis werden, zumal nicht einmal die Möglichkeit der Unterschrift per Brief erlaubt ist, so die Studie.

Jedes zweite Einwohnermeldeamt hat nach der Untersuchung nur an zwei oder drei Tagen geöffnet. „Die Amtseintragung wird zum Volksbegehrens-Killer“, sagt Michael Efler, Vorstandsmitglied von „Mehr Demokratie“. Er ist einer der Autoren der Studie, die ein Ende dieser „Amtseintragung“ in Brandenburg fordert. Mit dieser Pflicht zur Fahrt ins Meldeamt konterkariere Brandenburg seine sonst vergleichsweise guten Bedingungen, etwa das niedrige Quorum für Volksbegehren, bei dem nur vier Prozent der Wahlberechtigten zur Einberufung eines Volksentscheides unterschreiben müssten – bundesweit eigentlich der niedrigste Wert. Auch die Vier-Monatsfrist, in der die Unterschriften geleistet werden können, ist im Bundesvergleich laut Studie gutes Mittelfeld. Darauf verweist auch das Innenministerium, das die Kritik als „einseitig“ zurückweist. Für Linke-Landeschef Thomas Nord ist es dennoch „überfällig“, dass Brandenburg die demokratischen Defizite für Volksbegehren „endlich beseitigt.“ Man könne nicht mehr ehrenamtliches Engagement der Bevölkerung predigen, aber zugleich hohe Hürden dafür belassen, sagt Nord. „Brandenburg hinkt um Längen hinter Berlin her.“

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