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Brandenburg: Warschau will für Lausitz kein Wasser lassen

Trockene Brunnen an der Neiße: Polnische Regierung protestiert gegen Anzapfen des Flusses für die Tagebaue

Von Sandra Dassler

Guben/Görlitz /Warschau. Lange hat die polnische Regierung geschwiegen. Doch offensichtlich waren die Proteste der Menschen, die am östlichen Ufer der Lausitzer Neiße leben, auch im fernen Warschau nicht mehr zu überhören: Seit Jahren leiden mehrere tausend Einwohner in den Dörfern am Grenzfluss unter einem massiven Rückgang des Grundwassers. Den gibt auf der deutschen Seite auch, aber im Gegensatz zu ihren Nachbarn versorgen sich die meisten Polen noch aus privaten oder kommunalen Brunnen. Wasserleitungssysteme wurden hier nie gebaut und viele Brunnen sind inzwischen ausgetrocknet.

Deshalb hat die Nachricht, dass ab Mai dieses Jahres auch Wasser aus der Neiße für die Flutung der Lausitzer Tagebaue entnommen werden soll, die polnischen Anwohner entsetzt. Sie befürchten ein weiteres Absinken des Grundwasserspiegels. Schon heute müssen viele von ihnen in trockenen Sommern das Wasser aus kilometerweit entfernten Brunnen holen, die noch tief genug sind. Hinzu kommt, dass in den strukturschwachen Gemeinden südöstlich von Guben die meisten von der Landwirtschaft leben.

Nachdem sich auch die Politiker aus den Kommunen und den betroffenen Wojewodschaften besorgt über die geplante Entnahme von Neißewasser äußerten, hat sich nach Informationen des Tagesspiegels die Regierung in Warschau schon vor einiger Zeit an Bundesumweltminister Trittin gewandt. Auf einer Pressekonferenz der Lausitzer und Mitteldeutschen Bergbau-Verwaltungsgesellschaft (LMBV) am vergangenen Donnerstag in Görlitz stellte ein Bevollmächtigter der polnischen Regierung klar, dass es in Warschau prinzipielle Vorbehalte gegen die Ableitung des Neißewassers gibt. In einer schriftlichen Stellungnahme heißt es, die Entscheidung der deutschen Verwaltungsorgane zur Neißewasserüberleitung sei unter Verletzung des Abkommens über die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Wasserwirtschaft und der Grenzgewässer gefällt worden. „Angesichts der fehlenden Bereitschaft der deutschen Seite zur Entscheidungsänderung … und wegen nicht abgeschlossener Gespräche im Rahmen der deutsch-polnischen Grenzgewässerkommission“ wird sogar eine Überprüfung der entsprechenden Beschlüsse verlangt.

Für die LMBV ist das eine höchst unerfreuliche Entwicklung. Sie benötigt das Wasser aus dem Grenzfluss dringend, um die ehemaligen Tagebaue in Brandenburg und Sachsen zu fluten. Allein mit Grundwasser ist das nicht möglich. Zum einen würde das zu einem lebensfeindlichen pH-Wert auf Essig-Niveau führen. Zum anderen hat der Braunkohleabbau in den vergangenen Jahrzehnten zu einem Wasserdefizit von schätzungsweise 13 Milliarden Kubikmetern geführt. Die LMBV hat deshalb ein kompliziertes Überleitungssystem aus Rohren und Pumpstationen gebaut, um das Neißewasser zunächst in den sächsischen Tagebau Berzdorf und später über mehr als 70 Kilometer in die künftige Lausitzer Seenkette zwischen Senftenberg und Hoyerswerda zu leiten.

Immer wieder weist die LMBV darauf hin, dass keine nachteiligen Auswirkungen in Polen zu befürchten sind. Schließlich sei sogar ein Breslauer Institut mit entsprechenden Untersuchungen betraut worden. Dort kam man allerdings zum Ergebnis, dass die Neiße nur bei bestimmten Mindest-Wassermengen angezapft werden darf. Im Planfeststellungsbeschluss wurde dies berücksichtigt, mit einem speziellen Monitoring-Programm wird die LMBV die Wassermengen überwachen. Gegner der Neißewasserüberleitung, die es auch in Deutschland gibt, bemängeln, dass diese Mindestwassermenge nur an etwa 40 Tagen im Jahr erreicht wird.

Egal – im Mai soll das erste Wasser aus der Neiße in Richtung Tagebau abfließen und bis dahin will man sich auch im Bundesumweltministerium mit den polnischen Kollegen geeinigt haben. „Gespräche laufen, es wird sicher eine Einigung geben“, sagte ein Sprecher dem Tagesspiegel. Die LMBV hat derweil zugesichert, dass eventuelle Schäden durch die Wasserentnahme in gleicher Weise reguliert würden wie in Deutschland.

Die Einwohner am polnischen Neißeufer bleiben dennoch skeptisch. Niemand von ihnen, sagen sie, könnte einen Anwalt bezahlen, um im Zweifelsfall seine Rechte einzuklagen. Und wer weiß, ob sich dann im fernen Warschau noch jemand für sie interessiert.

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