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Brandenburg: Warum Stolpe Schönbohm braucht

Manche märkische SPD-Genossen sind auf ihren Spitzenmann derzeit nicht gut zu sprechen: Der schon früher zu hörende Vorwurf, Ministerpräsident Manfred Stolpe lasse Jörg Schönbohm in der Großen Koalition zu sehr gewähren, gebe ihm noch Rückendeckung, wo klare Worte angebracht wären, hat in den letzten Wochen des alten Jahres neue Nahrung bekommen: Schon schlimm genug, dass Stolpe sich im Streit um das Zuwanderungsgesetz hinter den CDU-Landeschef und Innenminister stelle. Aber dass der Ex-Kirchenmann die in Brandenburg voll integrierte vietnamesische Familie Nguyen - unbarmherzig wie der konservative Hardliner Schönbohm - im neuen Jahr abschieben wolle, sei ein "politischer Skandal".

Manche märkische SPD-Genossen sind auf ihren Spitzenmann derzeit nicht gut zu sprechen: Der schon früher zu hörende Vorwurf, Ministerpräsident Manfred Stolpe lasse Jörg Schönbohm in der Großen Koalition zu sehr gewähren, gebe ihm noch Rückendeckung, wo klare Worte angebracht wären, hat in den letzten Wochen des alten Jahres neue Nahrung bekommen: Schon schlimm genug, dass Stolpe sich im Streit um das Zuwanderungsgesetz hinter den CDU-Landeschef und Innenminister stelle. Aber dass der Ex-Kirchenmann die in Brandenburg voll integrierte vietnamesische Familie Nguyen - unbarmherzig wie der konservative Hardliner Schönbohm - im neuen Jahr abschieben wolle, sei ein "politischer Skandal". Es kursiert sogar das böse Wort vom "Verrat sozialdemokratischer Grundsätze".

Richtig nachvollziehen kann niemand, warum Stolpe sich so verhält. Sorgt er sich etwa um den Fortbestand der Großen Koalition in Brandenburg, jetzt, wo Berlin rot-rot regiert wird?

Kleine Turbulenzen im Alltag

Auf den ersten Blick scheint in der Koalition zur Halbzeit zwar alles in bester Ordnung. Trotz kleinerer Turbulenzen funktioniert die praktische Zusammenarbeit von SPD und CDU. Kein Vergleich jedenfalls zu den Berliner Verhältnissen von einst. Der unter der SPD-Alleinregierung entstandene Reformstau wird zumindest teilweise abgebaut: bei Schulen und Forst, bei der Polizei und den Gemeindestrukturen.

Doch bei genauerem Hinsehen fallen Veränderungen auf, die Stolpes demonstrative Rücksichtnahme auf Schönbohm erklären könnten: So wirkt der 64-jährige Ex-General und Ex-Senator zunehmend gereizt. Manche meinen, dass er sich mit Absprungsgedanken trage. Schönbohm selbst nährt die Spekulationen, indem er einen Wechsel in die Bundespolitik nicht definitiv ausschließt, falls die Union die Bundestagswahl im Herbst 2002 gewinnen sollte. Paradoxerweise ist er für Stolpe unverzichtbar: Als Antreiber, um die schwierigen und unpopulären Reformen im Innenbereich zu Ende zu führen. Anders formuliert: Schönbohm gleicht in gewisser Hinsicht Stolpes Schwächen aus. Er wird auch als Druckmacher gegenüber der rot-grünen Bundesregierung und als Zuchtmeister der nicht sonderlich stabilen, voll auf Schönbohm fixierten Landes-CDU benötigt.

Eine Ära Stolpe ohne Zwischenfälle?

Der 65-jährige Regierungschef, der neben Kurt Biedenkopf der am längsten amtierende deutsche Ministerpräsident ist, hat vor allem ein Interesse: Seine Ära soll ohne Störungen zu Ende gehen. Ein Koalitionsbruch, aber auch Pannen und Affären wie um Biedenkopf in Sachsen, würden das Denkmal Stolpe nicht nur beschädigen, sondern die Debatte um die Staffelübergabe an den in den Startlöchern stehenden Kronprinzen Matthias Platzeck in aller Schärfe aufflammen lassen. Stolpe will aber frei sein in seiner Entscheidung, wann er seinem selbst auserkorenen Nachfolger den Platz räumt. Vor allem aber will er ehrenvoll abtreten. Bislang sind zwischen ihm und Platzeck keine Spannungen auszumachen.

Der Thronfolger übt sich weiter in Geduld, die Partei gibt Ruhe, weil - anders als in Sachsen - dank Stolpes Vorarbeit die Nachfolge geregelt, die Perspektive gesichert ist. Außerdem hält Stolpe das Ruder fest in der Hand und lässt keine Anzeichen von Amtsmüdigkeit erkennen. Und in der Beliebtheitsskala der Brandenburger rangiert er weiter unangefochten auf dem Spitzenplatz.

Dennoch ist in der Partei ein Grummeln über das Taktieren und Lavieren des Ministerpräsidenten zu vernehmen. Es sind zum einen die ungewöhnlich harschen Reaktionen von Sozialdemokraten auf die im Kabinett grundsätzlich bestätigte Abschiebung der Spremberger Familie Nguyen, die aufhorchen lassen. Zum anderen kreiden vor allem jüngere SPD-Politiker dem Regierungschef an, dass er es in seiner Spätphase an Impulsen und Akzenten vermissen lasse, obwohl Brandenburg vor neuen Herausforderungen stehe.

Auf wichtige Fragen gibt es keine Antworten: Wie muss Regierungspolitik neu ausgerichtet werden, wenn die öffentlichen Mittel weiter abnehmen? Wie viel Staat kann sich Brandenburg künftig noch leisten? Wie soll es mit den sich zunehmend entvölkernden und vergreisenden Armenregionen an den Landesgrenzen weitergehen?

Es war Schönbohm und nicht Stolpe, der zum Jahreswechsel die überfällige Strategiedebatte für Brandenburg anmahnte. Überraschen kann da nicht, dass hinter verschlossenen Türen in sozialdemokratischen Zirkeln eine Wachablösung nach der Bundestagswahl debattiert wird.

Michael Mara

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