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Brandenburg: „Will jemand eine Religionspolizei?“

Zum Jahreswechsel schied Brandenburgs Verfassungsschutz-Chef Wegesin aus dem Amt – unfreiwillig. Trotzdem bleibt er bei seiner Meinung: Rechtsextremisten sind hier gefährlicher als Islamisten

Herr Wegesin, Sie sind gegen Ihren Willen aus dem Amt geschieden. Im Innenministerium war zu hören, Sie hätten die islamistische Gefahr in Brandenburg unterschätzt. Nun sagt Ihre Nachfolgerin Winfriede Schreiber, der Verfassungsschutz habe keine Anhaltspunkte für eine Bedrohung durch Islamisten. Fühlen Sie sich von Jörg Schönbohm verschaukelt?

Zu den Gründen meines Ausscheidens werde ich mich nicht öffentlich äußern. Zur Sache selbst: Der Verfassungsschutz hat sich früh und intensiv auf die Beobachtung aller Erscheinungsformen des Islamismus eingestellt. Eine große islamistische Gefahr sehe ich allerdings in Brandenburg zurzeit nicht. Aber ich frage mich, welcher sicherheitspolitische Kurs nun gesteuert werden soll. Wünscht sich etwa jemand eine Art Religionspolizei in Brandenburg?

Es muss ja keine Religionspolizei her, aber ist es nicht bedenklich, dass der Imam einer Potsdamer Moschee gegen Israel gehetzt haben soll?

Die öffentlich bekannt gewordenen Äußerungen sind problematisch, allerdings nach sorgfältiger juristischer Prüfung nicht strafbar. Brandenburg hat nur fünf von Kleingemeinden betriebene islamische Gebetsräume. Ich habe daher Zweifel, ob sich das Land als Randbetroffener zum Vorreiter einer Verschärfung des Strafrechts gegen Hassprediger küren sollte. Man kann die gravierenden Probleme des Islam, sich in der demokratischen Moderne zurechtzufinden, wohl kaum mit dem Staatsanwalt lösen.

Im Nachbarland Berlin ist die islamistische Gefahr, auch die des Terrors, durchaus real. Bleibt Brandenburg unberührt?

Brandenburg könnte Vorbereitungs- und Rückzugsraum für terroristische Aktionen in der Hauptstadt sein. Eine frühzeitige Enttarnung der in abgeschotteten Kleingruppen agierenden Täter erreicht man nur in einem eng vernetzten, permanent arbeitenden Informationsverbund aller Sicherheitsbehörden in Deutschland. Brandenburgs Verfassungsschutz liegt bei der hierzu notwendigen Modernisierung und der Einführung entsprechender Technik bundesweit im Spitzenfeld. Hier sind weiterhin die sicherheitspolitischen Schwerpunkte zu setzen – und erst in zweiter Linie in der Schaffung eines lückenlosen Strafrechts gegen Hassprediger.

Wie hilfreich sind die neuen Analysezentren von Verfassungsschutz und Polizei in Berlin-Treptow?

Das ist ein begrüßenswerter Anfang. Wir brauchen zur Vernetzung der in die Analysezentren eingebundenen Bundes- und Landesbehörden als nächstes einen modernen Kommunikations- und Datenbankverbund. Es dauert manchmal immer noch Wochen, bis eine Behörde von einer anderen Auskünfte über eine verdächtige Person erhält. Da funktioniert noch vieles nach dem Zufallsprinzip. Teilweise werden Geheimakten zwischen den Behörden immer noch per Auto transportiert, weil es keine verschlüsselten Internetverbindungen zwischen den Dienststellen gibt. Die Hauptarbeitsmittel sind häufig noch Karteikarte, Telefon und Telefax. Im Sicherheitssektor ist Deutschland beim Einsatz neuer Informationstechnologien untere Mittelklasse. Wir brauchen einen kräftigen Innovationsschub. Ansonsten bleiben die beiden Analysezentren Damen ohne Unterleib.

Bei einem der drängendsten Probleme in Brandenburg, dem anschwellenden Rechtsextremismus, scheint auch ein moderner Verfassungsschutz wenig zu bewirken.

Brandenburg hat die Repression gegen den Rechtsextremismus bis zum Anschlag hochgefahren. Es gibt auch durchaus Erfolge, vor allem im Kampf gegen militante Wiederholungstäter. Aber wir stehen vor dem Problem, dass über 80 Prozent der rechtsextremen Gewaltdelikte durch Ersttäter verübt werden. Diese werden immer jünger. Wie sich die Milieuverschiebungen in der Szene weg von den ausschließlich gewaltorientierten Skinheads hin zu den sich mehr und mehr als politische Gestaltungskräfte definierenden Neonazi-Kameradschaften auswirken, ist noch unklar.

Was bringt der Großeinsatz rechtsextremer V-Leute, die dem Verfassungsschutz viel Ärger beschert haben?

Allein mit technischen Mitteln ist es unmöglich, innere Strukturen extremistischer Szenen aufzudecken. Der intelligenteste Informationssammler bleibt der Mensch. Bei V-Leuten ist es natürlich nötig, das Risiko genau abzuwägen.

Haben Sie da Fehler gemacht? In Ihrer Amtszeit wurde ein V-Mann vom Berliner Landgericht wegen Handels mit Nazi-Musik verurteilt, ein anderer Spitzel verriet eine geplante Razzia der Polizei.

Ja, es gab Fehler. Aber man muss sich vor Augen halten, wie Brandenburgs Verfassungsschutz aussah, als ich ihn vor fünf Jahren übernahm. Es ging darum, in möglichst kurzer Zeit überhaupt erst mal aussagefähige Informationen aus der Szene zu bekommen. Bei V-Leuten hat man es meist mit gefestigten Extremisten zu tun. Ich räume ein, dass wir uns in dem einen oder anderen Fall intensiver mit der Risikoanalyse hätten befassen müssen.

Die DVU ist nun zum zweiten Mal in den Potsdamer Landtag eingezogen, die Demokraten sind ratlos. Welchen Umgang mit der DVU halten Sie für angemessen?

Ich empfehle, im Parlament engagiert die sachpolitische Auseinandersetzung zu führen und die Konzepte der DVU, wenn es denn welche gibt, zu hinterfragen. Es wäre auch interessant zu erfahren, wie sich die betont bieder auftretende DVU- Fraktion zur üblen, häufig antisemitischen Agitation der Parteispitze in München verhält.

Ist die NPD, die in Brandenburg bei der Wahl nicht antrat, nach ihrem Erfolg in Sachsen nun auch hier im Aufwind?

Nein. Die NPD hat sich mit der Trennung von dem Berliner Verband und dem Austritt eines Teils der Brandenburger Führung weitgehend selbst in die politische Bedeutungslosigkeit manövriert. Ein großer Teil der jüngeren Anhängerschaft dürfte sich in Brandenburg zukünftig eher an die Neonazi-Kameradschaften binden.

Haben Sie noch Hoffnung, in Brandenburg könnten in absehbarer Zeit die rechten Symptome wie Straßenterror, Zulauf zur Naziszene, Sympathien für die DVU sowie der in Teilen der Bevölkerung grassierende Rassismus spürbar nachlassen?

Ich sehe keine Entwarnungssignale. Der Rechtsextremismus wird uns begleiten, solange in den Teilen der Bevölkerung, die sich als Modernisierungsverlierer sehen, die angebliche Überfremdung unseres Landes als die Hauptursache für die eigene Malaise empfunden wird. Umso wichtiger ist das Engagement der Initiativen gegen Rechtsextremismus. Ich wende mich entschieden dagegen, sie als „Gutmenschen" verächtlich zu machen.

Das Interview führte Frank Jansen

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