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Brandenburg: „Wir sparen mehr als Berlin“

Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) über die Haushaltsnöte, die Landflucht und die Aussichten für die Fusion

Aus der CDU hört man, dass Innenminister Jörg Schönbohm zu Ihrem Vorgänger Manfred Stolpe ein besseres Verhältnis hatte als zu Ihnen. Wie würden Sie es beschreiben?

Es ist ein gutes Arbeitsverhältnis.

Der rotrote Senat in Berlin geht bei den Einschnitten scharf zu Werke, zum Beispiel bei Kindertagesstätten und im sozialen Bereich. Warum tut sich die große Koalition in Brandenburg trotz des Milliardendefizits im Haushalt 2004 mit dem Sparen so schwer?

Das ist eine eingeschränkte Wahrnehmung. Viele Schritte haben wir schon hinter uns, zum Beispiel die Schließung von Theatern und Orchestern. Wir sparen prozentual zum Gesamtetat wesentlich mehr als Berlin und nehmen prozentual weniger Schulden auf.

Dennoch wirken die bisherigen Kürzungen im Vergleich zu den geplanten neuen Schulden von 1,3 Milliarden Euro im Jahr 2004 wie ein Tropfen auf dem heißen Stein.

Das ist in allen 16 Bundesländern so, auch im Bund. Es geht um Menschen. Wir können nicht das Schwert nehmen, um den gordischen Knoten zu zerschlagen. Wir müssen ihn aufknüpfen.

Aber Brandenburg gibt pro Einwohner weiter mehr Geld aus als das finanzstarke Sachsen.

Wir haben in den letzten zwölf Monaten Einschnitte beschlossen, wie sie das Land vorher nicht einmal annähernd gekannt hat. Wir legen Behörden zusammen, bauen 12 400 Stellen ab. Wir nutzen jede Möglichkeit, aber manches braucht Zeit.

Wird auch bei Kitas und der Polizei gekürzt werden, wo die Standards sehr hoch sind?

Wir sind mitten in einem sehr umfänglichen Prozess. Nichts wird ausgespart. Diese Regierung hat den Mut, Unpopuläres zu tun.

Die CDU ist in den Umfragen mit der SPD gleichgezogen. Im Herbst sind Kommunalwahlen. Glauben Sie, den Trend noch umkehren zu können?

Ja, weil die Reformen der Bundesregierung in die richtige Richtung gehen und die Stimmung sich ändern wird. Ich bin optimistisch, dass wir wieder stärkste Partei werden.

Dabei sind die Sommer-Schlagzeilen gar nicht gut für Brandenburg: „Verelendung“, „Versteppung“, „Verblödung“…

Man muss sich mit diesen Trends auseinander setzen, aber Schlagworte sind nicht hilfreich. Den Fragen des Klimawandels und der Landflucht muss man sich stellen. Die Behauptung, dass Brandenburg in seinen Randregionen künftig von Deppen bewohnt sein wird, weil alle anderen weg sind, halte ich für völlig überzogen und kontraproduktiv.

Warum tut sich die Koalition so schwer, Konzepte gegen Abwanderung und Verödung auf den Weg zu bringen?

Brandenburg ist mit Problemen konfrontiert, die in dieser Schärfe erstmals auftreten. Dass Schülerzahlen innerhalb weniger Jahre um 60 Prozent sinken, hat Deutschland noch nicht erlebt. Wir haben bisher auch keine wissenschaftlichen Rezepte, wie man Stadtverkleinerungen organisiert. Das ist Neuland, wir müssen eigene Wege finden.

Manche sorgen sich, dass die geplante Länderfusion diese Probleme noch verschlimmern könnte?

Im Gegenteil, gemeinsam ließen sich die Probleme deutlich besser lösen als allein. Wer heute noch denkt, dass es Brandenburg gut gehen kann und Berlin schlecht oder auch umgekehrt, ist auf dem falschen Dampfer.

Trotzdem ist die Stimmung in Brandenburg gegen die Fusion?

Es wird schwierig, weil Emotionen eine Rolle spielen. Andererseits ist erstaunlich, dass bei der schlechten politischen Grundstimmung immer noch 40 Prozent für die Fusion sind. Eins ist klar: Wenn wir 2006, zum Zeitpunkt der Volksabstimmung, keine politische Positiv-Stimmung haben, werden wir wahrscheinlich scheitern. Trotzdem müssen wir den Versuch wagen.

Das Interview führten Michael Mara und Thorsten Metzner

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