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Brandenburg: Wo die DDR überlebt hätte

Ab heute kann der frühere Atomschutzbunker Honeckers besichtigt werden. Ende Oktober wird er geschlossen – für immer

Prenden - Selbst Erich Honecker hätte sich in 21 Meter Tiefe mit einem nur 15 Quadratmeter großen und lediglich einem Bett und einem Schreibtisch ausgestatteten Raum begnügen müssen. Immerhin zeigten die abwaschbaren Tapeten kunstvolle Blumenmotive, wenn sie auch weniger zur rotbraunen Farbe des Teppichbelages passten. Aber hier sollte sich der Staats- und Parteichef auch nicht besonders lange wohl fühlen, sondern in einem möglichen Krieg maximal 14 Tage lang Schutz vor Atomstrahlen finden. Der Atombunker 17/5001 am Rande des 25 Kilometer nördlich von Berlin gelegenen Prenden war zu DDR-Zeiten als Führungsstelle des Nationalen Verteidigungsrates vorgesehen. Von hier aus hätte Honecker die Volksarmee im Zusammenwirken mit den sowjetischen Truppen im Ernstfall geführt. Die 20 Mitglieder der Führungsriege wären dann von bis zu 400 Soldaten in den Untergrund begleitet worden. Von heute an bis zum 26. Oktober kann die unterirdische Stadt des „Honecker-Bunkers“ von jedermann besichtigt werden – zum letzten Mal. Anschließend sollen die Zugänge zubetoniert werden.

Im Untergrund empfängt die Besucher eine kalte Atmosphäre. Die Thermometer zeigen in dem Labyrinth aus rund 400 Räumen nur zwölf Grad Celsius an. „Das war zu den Betriebszeiten ganz anders“, sagt Sebastian Tenschert vom Berliner Bunker-Netzwerk, der mit seinen ehrenamtlichen Mitstreitern täglich Führungen anbietet. „Damals arbeiteten hier große Pumpen für die Luftzufuhr, die Wasserversorgung und eine Vielzahl von elektronischen Geräten, so dass hier meist 35 Grad herrschten und die Luft gekühlt werden musste.“ Der 33-jährige Ingenieur, der im richtigen Leben bei der Deutschen Bahn arbeitet, ist von den Dimensionen des Bunkers fasziniert – und warnt die Besucher: „Bitte alle zusammen bleiben, denn allein findet hier niemand den Weg wieder nach oben.“ Zwischen 1978 und 1983 entstand das mächtige Bauwerk, das bombensicher sein sollte. Über der Bunkerdecke schützte ein bis zu 20 Meter starkes Betondach vor Druckwellen aller Art. Die Insassen sollten den Abwurf einer 100-Kilo-Atombombe in 500 Meter Entfernung überleben können. Allerdings ist fraglich, ob nach zwei Wochen die radioaktive Belastung der Umgebung schon so abgeklungen wäre, um wieder ein normales Leben ohne Schutzanzüge führen zu können.

Trotz intensiver Nachforschungen haben die Bunker-Experten noch nicht alle Details des unterirdischen Bauwerks erkunden können. Sie suchen daher dringend nach Zeitzeugen, möglichst aus der damaligen Führungsebene. „Obwohl ich ab 1987 bis kurz nach der Wende hier als Techniker gearbeitet habe, durfte ich nicht in alle Räume“, erzählt der damalige NVA-Oberfeldwebel Falko Schele. „Jeder Soldat besaß nur eine Betretungserlaubnis für eine Abteilung“. Täglich hätten acht vollbesetzte Busse von Berlin und aus dem nahen Biesenthal das Bunker-Personal nach Prenden gebracht und am Abend wieder abgeholt. Zurück blieb eine Wachmannschaft.

Ob sich Honecker einmal in „seinem“ Bunker umgeschaut hatte, ist nicht bekannt. Kurz nach der Fertigstellung 1983 soll er einmal hier gewesen sein. Da habe er sich angesichts der Ausmaße des 6500 Quadratmeter großen Baus doch „etwas verstört“ gezeigt. Allein 85 000 Tonnen Beton müssen hier verarbeitet worden sein, ermittelten Fachleute. Die entdeckten in der Funkzentrale auch modernste Technik vom Westkonzern „IBM“ – getarnt hinter Blechen mit dem DDR-Logo „RFT“ (Rundfunk- und Fernsehtechnik).

„Für eine dauerhafte Öffnung der Anlage fehlt uns leider das Geld“, sagt Sebastian Tenschert. Der Bunkerkomplex gehört dem Land Berlin. Fördermittel hätte man vergeblich beantragt. „Deshalb werden Ende Oktober alle Eingänge dauerhaft mit Beton geschlossen.“ Dann wird in den Bunker niemand mehr hineinkommen.

Der Bunker kann sonnabends und sonntags von 10 bis 18 Uhr und an Wochentagen ab 17 Uhr besichtigt werden. Eine rund einstündige Führung kostet 20 Euro pro Person, Kinder müssen 12 Jahre alt sein. Anmeldungen unter Tel. 0151 / 50 45 50 01. Infos unter www.bunker5001.de.

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