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Brandenburg: Zu Fuß auf der Überholspur

Die Männer der Autobahnmeisterei sammeln den Müll der Autofahrer auf. Ihr Job gehört zu den gefährlichsten überhaupt

TROTZ TEMPOLIMIT UND AUSBAU: BRANDENBURGS AUTOBAHNEN BLEIBEN GEFÄHRLICH. BESONDERS FÜR DIE, DIE DORT ARBEITEN

Die Autobahn ist ein gefährliches Pflaster. Als Autofahrer weiß man das – aber behält es allenfalls im Hinterkopf. Dagegen müssen die Mitarbeiter der Autobahnmeistereien jederzeit hellwach sein. Ihr Arbeitsplatz gehört zu den gefährlichsten überhaupt. Wer Jahre lang zu Fuß auf der Überholspur unterwegs ist, wird zum Spezialisten fürs Nicht-überfahren-werden. Wir haben die Männer der Meisterei Bernau begleitet.

Gott sei Dank hat es noch keinen seiner Kollegen erwischt, sagt Bernd Müller, während er den orangefarbenen Golf vom Betriebshof zur Autobahn steuert. Aber allein im Jahr 2001 haben sie vier Schilderanhänger eingebüßt. Müller leitet die Autobahnmeisterei Bernau, deren 32 Angestellte sich um einen Großteil der A 11 Richtung Prenzlau, um den Berliner Ring zwischen den Anschlussstellen Hohenschönhausen und Mühlenbeck sowie um den Zubringer zum Dreieck Pankow kümmern. Sie suchen Schäden an Fahrbahn und Leitplanken, sammeln Müll auf, sichern Unfallstellen, fegen Scherben weg und mähen je nach Jahreszeit Rasen oder fegen Schnee und streuen Tausalz.

Müller schaltet die Rundumleuchten ein und hält vor dem Lkw von zwei Kollegen auf der Überholspur. Fred Seydel und Enrico Lemke sammeln Unrat von der Böschung: Seydel läuft mit Greifer und Müllsack hinter der Leitplanke entlang, Lemke zuckelt mit dem Lkw hinterher; alle 500 Meter wird gewechselt. Im Gras hinter der Planke findet sich etwa das Verpackungssortiment der Raststätten wieder. Seit elf Jahren macht Seydel den Job. Er arbeitet lieber am Straßenrand als in der Mitte, wo ihn bei Regen die Wasserfahne der Laster einnebelt. Dass es mehr Müll geworden ist im Laufe der Jahre, würde er nicht sagen. Es war schon immer viel.

Bei normalem Autobahntempo erkennen die Autofahrer den Dreck ohnehin nicht – manche sehen ja nicht einmal die Schilderanhänger. Die bestehen im Wesentlichen aus einem riesigen blinkenden Pfeil und sind eine Art Lebensversicherung der Straßenwärter. Am gefährlichsten sind die Lastwagen, deren Fahrer übermüdet sind oder derart am Vordermann kleben, dass sie nicht sehen können, warum der gerade auf die andere Spur wechselt – und schon kracht es. „Als Erstes bringen wir unseren Azubis das Schielen bei: ein Auge auf die Arbeit, das andere auf den Verkehr“, sagt Meistereichef Müller.

Wenn die drei Bernauer Azubis gelernt haben zu schielen, bekommen sie das Mauern, Fliesen, Rohre legen und Bäume schneiden beigebracht. Im dritten Lehrjahr dürfen sie ihren Lkw-Führerschein machen. Auf den freuen sich alle – obwohl es ihnen dann passieren kann, dass der Chef sie bei den ersten Schneeflocken zu Heiligabend anruft und sie das Fest im Streufahrzeug verbringen müssen. „Das ist uns 2001 passiert“, sagt Müller. „Aber gemeckert hat keiner.“ Die Autobahn verbindet – auch die Leute von der Meisterei.

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