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Brandenburg: Zum Staunen und Baden

Warum Potsdam den Brasilianer Oscar Niemeyer als Architekten des Schwimmbades Brauhofberg ausgewählt hat

Potsdam - Der Architekt des ersten großen Potsdamer Freizeitbades wird sein Werk höchstwahrscheinlich nie vollendet sehen. Das liegt aber weniger am hohen Alter von Oscar Niemeyer. Er würde bei der für Ende 2007 geplanten Eröffnung der Schwimm- und Spaßstätte auf dem Brauhausberg zwar genau 100 Jahre alt sein – aber „er ist keineswegs ein etwas langsamer oder kränkelnder Greis, wie das bei einem 97-Jährigen vielleicht zu erwarten wäre“, sagt Peter Paffhausen, der Geschäftsführer der Potsdamer Stadtwerke. „Niemeyer hat mich als ein äußerst heller, wacher und vitaler Mensch beeindruckt“, erzählt Paffhausen, der wie berichtet vor einer Woche in Niemeyers Arbeitszimmer mit Blick auf die Copacabana den Vertrag über die Entwurfsplanung für das Bad unterzeichnet hat. Die Stadtwerke, eine 100- prozentige Tochtergesellschaft Potsdams, sind Bauherr des Projekts.

Niemeyer hat ein anderes Problem: Der hoch dekorierte Stararchitekt steigt in kein Flugzeug. Zwischen seinem Heimat- und Arbeitsort Rio de Janeiro und Potsdam liegen nun aber mehrere Tausend Kilometer. Da bliebe als Ausweg nur das Schiff, auf das der Kommunist, Lenin-Preisträger und Offizier der französischen Ehrenlegion schon während seiner langen Jahre in Paris zurückgegriffen hatte. Doch wegen eines einzigen Projekts wird Niemeyer sich wohl kaum auf den langen Weg nach Europa machen. Die Potsdamer Badewelt wird mit geschätzten Baukosten von 31,5 Millionen Euro zwar eines der teuersten Freizeitprojekte Brandenburgs – aber im Lebenswerk eines Architekten, der mit Brasília unter anderem eine ganze Hauptstadt mitgebaut hat, dürfte das Bad doch eher eine Marginalie sein.

Gleichwohl freue Niemeyer sich, dass ihn Potsdam als Architekten für das Bad ausgewählt habe, sagt Paffhausen. „Der Mann sprüht von Ideen, so dass wir uns auf einen recht futuristisch anmutenden Bau freuen können.“

Bis Ende März soll Niemeyer, der vor allem für kurvenreiche und leichte Betonkonstruktionen bekannt wurde, den ersten Entwurf vorlegen. Die kleine Potsdamer Delegation übergab ihm dafür Luftbilder, ein Video und viele Fotos vom künftigen Bauplatz gegenüber dem Hauptbahnhof und unterhalb des Landtagsgebäudes auf dem Brauhofberg. Später wird Joao Niemeyer, Neffe und Mitarbeiter des Meisters, nach Potsdam kommen und die Ausführung des Entwurfs überwachen.

Die Wahl Niemeyers erfolgte ohne Ausschreibung. „Nach der ,Verdingungsordnung für Freiberufler‘ ist eine Direktvergabe möglich“, erklärt Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD). „Nämlich dann, wenn die Dienstleistungen aus technischen oder künstlerischen Gründen oder aufgrund des Schutzes von Ausschließlichkeitsrechten nur von einer bestimmten Person ausgeführt werden können.“ Bei Niemeyer sei das der Fall: Ein Expertengremium habe sich für ihn entschieden, weil er zu den Klassikern der Moderne zählt, die Beziehung von Architektur und Landschaft ein zentrales Thema seiner Werke ist, und nicht zuletzt, weil Niemeyer der einzige Architekt ist, der ein Unesco-Weltkulturerbe gebaut hat – eben Brasília –, und Potsdam mit dem Neubau auch seine eigene Stellung als Weltkulturerbe stärken will. Ein überdurchschnittliches Honorar soll Niemeyer aber nicht gezahlt werden.

80 Prozent der 31,5 Millionen Euro Baukosten Kosten will Potsdam als Fördermittel vom Land Brandenburg erhalten. Die Chancen dafür stehen gut, weil das Freizeitbad mit Wellenbecken, Rutschen, Whirlpools, einem großen Saunabereich und mehreren 50-Meter-Schwimmbahnen seit 2003 im Bäderplan des Landes vorgesehen ist. Dafür musste unter anderem die Havelstadt Werder auf ihr 2001 vorgestelltes Freizeitbad verzichten: Eine zypriotische Investorin hatte dort baden in einer „Welt antiker Tempel“ versprochen. Doch die vorgesehenen Fördermittel wurden im Bäderplan Potsdam zugewiesen; die Investorin zog sich zurück.

Trotz der Landesmittel sieht der PDS- Fraktionsvorsitzende im Stadtparlament, Hans-Jürgen Scharfenberg, finanzielle Probleme auf Potsdam zukommen. „Es wäre besser gewesen, man hätte den Zuschlag den privaten Investoren erteilt, die am Standort Drewitz neben dem Sterncenter bauen wollten“, sagt er. „Da wäre das Risiko viel kleiner gewesen. So aber wird die Stadtkasse durch die laufenden Betriebskosten zu stark belastet.“ In Drewitz „wohnen 35 000 Menschen, der Platz ist viel besser als der Brauhausberg erreichbar und die unansehnliche Brache neben dem Einkaufszentrum würde durch das Bad endlich verschwinden“, kritisiert Scharfenberg.

Die alte Schwimmhalle, die noch an der Stelle der künftigen Badewelt am Brauhausberg steht, soll – ebenso wie die benachbarte, seit langem geschlossene Gaststätte – abgerissen werden. Sie bietet nur Schwimmbahnen – und ist architektonisch schon gar kein Glanzstück. Ganz anders, als es Niemeyers Bad werden soll.

1907 Am 15. Dezember wird Oscar Riebeiro de Almeida de Niemeyer Soares in Rio de Janeiro geboren.

1937 Erstes eigenes Projekt: eine Entbindungsstation

ab 1956 Niemeyer realisiert die Regierungs- und andere Repräsentationsgebäude in Brasiliens neuer Hauptstadt Brasília.

1967 Zunehmende Probleme unter der brasilianischen Militärregierung bringen Niemeyer zur Verlegung seines Büros nach Paris.

1985 Rückkehr nach Rio de Janeiro.

1988 Pritzker-Preis („Architektur-Oskar“)

2004 Fertigstellung des jüngsten Projekts: Konzerthalle im Iberapeura Park, Sao Paulo.

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