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2017 wird Karstadt am Ku'damm vorübergehend geschlossen. Anwohner sind nicht erfreut, dass dort ein Einkaufscenter geplant ist.

© Cay Dobberke

Berlin-Charlottenburg: Karstadt-Schließung verärgert Anwohner am Ku'damm

An der Stelle von Karstadt am Kurfürstendamm soll ab März 2017 die „Mall of Ku'damm“ entstehen. Die Stimmung unter Anwohnern und Nachbarn ist gekippt.

Seitdem Sabine Lehmann davon gehört hat, dass an der Stelle von Karstadt am Kurfürstendamm ein Einkaufscenter gebaut wird, ist sie verärgert. „Das ist einfach Schwachsinn. Der Ku’damm lebt von kleinen Geschäften und nicht von großen Shopping Malls,“ sagt sie. Dass die Karstadt-Filiale am Kurfürstendamm im März 2017 vorübergehend schließt, ist mittlerweile nicht nur Betroffenen bekannt. Auch Anwohner wissen um das Schicksal des einstigen Wertheim-Kaufhauses, das später in noch unbekannter Größe in die neue „Mall of Ku’damm“ eingegliedert werden soll.

Direkt gegenüber von der Karstadt-Filiale befindet sich das Elektrofachgeschäft Technik und Design an der Ecke Rankestraße und Augsburger Straße. Sabine Lehmann und ihre Kollegin Michaela Kwiatkowski bieten hier einen umfangreichen Kundendienst für Braun-Produkte an. Sie sind nicht erfreut darüber, dass die Karstadt-Filiale im nächsten Jahr ihre Türen schließt.

Sabine Lehmann stemmt die Hände in die Hüften. „Es ist schade, dass dieses Traditionskaufhaus nach 45 Jahren vom Ku'damm verschwindet,“ sagt sie. Sie werde Kundschaft verlieren, weil gelegentlich Kunden von Karstadt an sie vermittelt wurden. Konkurrenz belebe halt das Geschäft.

„Bei Karstadt wird man sofort fündig“

Außerdem seien Kaufhäuser wichtig, weil man dort alles kriegt, was man braucht. „Wo bekommt man sonst Stoffe, Gardinen und Lampen in einem Haus?“ fragt sich ihre Kollegin Michaela Kwiatkowski. Sie findet, dass alle Einkaufscenter gleich sind. Vor allem hier am Kurfürstendamm, der größten Einkaufstraße in Berlin, hätten sie nichts zu suchen.

Beide schätzen die praktische Einkaufsmöglichkeit bei Karstadt, die nur einen Steinwurf entfernt ist. „An Weihnachten haben uns noch Saugnäpfe für unsere Weihnachtsdekoration gefehlt. Dann sind wir einfach schnell herüber gegangen und sofort fündig geworden,“ erzählt Michaela Kwiatkowski. Sie nutze Karstadt vor allem auch gerne privat. Erst vor ein paar Tagen musste sie kurzfristig ein Geburtstagsgeschenk kaufen. Bei Karstadt sei das kein Problem. „Leider ist das bald nicht mehr möglich,“ sagt sie enttäuscht.

Das Nachbarhaus rechts von Karstadt und die Gebäude im Rücken des Warenhauses werden der Mall of Ku'damm zum Opfer fallen.
Das Nachbarhaus rechts von Karstadt und die Gebäude im Rücken des Warenhauses werden der Mall of Ku'damm zum Opfer fallen.

© Thilo Rückeis

Mitte Februar hatte Karstadt bekannt gegeben, dass die „Mall of Ku’damm“ direkt am Kurfürstendamm, Berlins prestigeträchtigster Einkaufsmeile, errichtet werden soll. Dafür muss das Karstadt-Warenhaus weichen. Hinter der neuen Mall steckt Harald Huth, Bauherr der „Mall of Berlin“ am Leipziger Platz, der bisher kein öffentliches Statement abgegeben hat. Ohne frühere Medienberichte hätten Anwohner und Nachbarn wohl erst durch die Karstadt-Mitteilung im Februar erfahren, dass hier Berlins viertgrößtes Center geplant wird.

Der Name Wertheim ist haften geblieben

Marianne Schneider steht im Kassenbereich der Lebensmittelabteilung im Untergeschoss von Karstadt. Sie verstaut ihre Einkäufe, ein paar Quarkbecher und zwei Saftflaschen, in ihrer Tasche. „In meinem Alter bin ich nicht mehr so mobil. Wertheim war für mich immer der ideale Einkaufspunkt, weil ich es fußläufig erreichen konnte,“ sagt die Pensionärin, die seit 1939 im Kiez lebt. Der frühere Name Wertheim ist bei ihr haften geblieben. Sie kann sich noch genau an den Bau des damaligen Wertheim-Kaufhauses erinnern.

„Als das KaDeWe im Jahr 1907 eröffnet wurde, waren Kaufhäuser eine neue Sache, weil man alle Produkte in einem Haus kaufen konnte.“ Mittlerweile hätten sich die Zeiten aber geändert. Marianne Schneider findet, dass sich das Einkaufsverhalten der Kunden aufgrund des vermehrten Online-Shoppings stark verändert hat. So erklärt sie sich die vermehrte Entstehung von Einkaufscentern. Einfache Kaufhäuser seien nicht mehr zeitgemäß.

Am Ku'damm gibt es keine Alternativen zu Karstadt

Trotzdem wird ihr vor allem die Lebensmittelabteilung fehlen, „weil dort die Auswahl sehr groß ist und weil es in der Nähe keine vergleichbare Theke mit frischem Fisch gibt“. Manche Produkte könne sie eben nur bei Karstadt kaufen, erzählt sie. In der Gegend gäbe es dann keinen angemessenen Ersatz mehr und das KaDeWe sei keine Alternative, weil es zu teuer sei. Die Schlosstraße in Steglitz und die Wilmersdorfer Straße in Charlottenburg wären dann die einzigen Ausweichmöglichkeiten.

Das Karstadt-Bettenhaus und das hauseigene Parkhaus an der Ecke Augsburger Straße und Rankestraße werden abgerissen.
Das Karstadt-Bettenhaus und das hauseigene Parkhaus an der Ecke Augsburger Straße und Rankestraße werden abgerissen.

© Cay Dobberke

Supermärkte hätten keine vergleichbare Auswahl

Einen Stockwerk höher im Erdgeschoss schlendern Herr und Frau Arnswald durch die Schuhabteilung. Monika Arnswald sucht nach einem braunen Paar Schuhe für den Frühling. Ihr Mann lässt sich auf einem Wartesessel nieder. „Wir wohnen seit 1983 hier in der Gegend und Karstadt gehört zu unserem Alltag dazu,“ sagt Christian Arnswald. Der 61-jährige Angestellte hatte in der Zeitung gelesen, dass die Filiale in einem Jahr geschlossen wird.

„Wir sind seit Jahren treue Karstadt-Kunden,“ schaltet sich seine Frau ein. Das Personal sei sehr nett, mittlerweile würde man sich gut kennen. Sie fragt sich, wo sie spezielle Lebensmittel kaufen soll, die sie sonst bei Karstadt bekommt. Supermarktketten wie Lidl und Netto würden über keine vergleichbare Auswahl verfügen.

Sie schätze Kaufhäuser mit einem umfangreichen Sortiment aus Parfümerie, Konfektion, Haushaltswaren, Spielwaren und Schreibwaren. Am meisten werde ihr die Lebensmittelabteilung und die Konfektionsabteilung fehlen. „Berlin hat zu viele Einkaufscenter,“ findet die 60-jährige Lehrerin. „Und nun soll auch noch eins hier bei uns entstehen.“ Der verärgerte Unterton in ihrer Stimme ist deutlich hörbar.

„Wir werden hier einfach rausgeschmissen“

Die Mitarbeiter von Karstadt dürfen sich nicht zu der Schließung ihrer Filiale äußern. Im hauseigenen Reisebüro von Karstadt sitzt Matthias Lauer an seinem Schreibtisch und schüttelt den Kopf. „Die Mitarbeiter wurden informiert, dass die Filiale im nächsten Jahr vorübergehend geschlossen wird. Mehr darf ich dazu nicht sagen,“ erklärt der Büroleiter. Auch eine nette Verkäuferin in der Handtaschen-Abteilung verweigert das Gespräch. Sie dürfe leider keine Informationen weitergeben.

Das Modegeschäft „Zebraclub Berlin“ in der Rankestraße 5-6 ist ebenfalls von der Schließung betroffen. Diana Borm und Tim Heinemann verkaufen hier seit 2003 Kleidung und Schuhe von den Marken Adidas über Nike bis zu exklusiven Modebrands wie Carhartt. Inhaberin und Geschäftsführerin Diana Borm steht hinter der Ladentheke und seufzt. „Wir haben noch einen Mietvertrag über sechs Jahre, aber nächstes Jahr werden wir hier einfach rausgeschmissen,“ sagt sie wütend. Erst vor kurzem habe sie eine dementsprechende Benachrichtigung erhalten.

„Berlin hat genug Shoppingcenter“

Ihr Lager im Hinterhaus soll schon im Oktober 2016 abgerissen werden. Deswegen müsse sie jetzt parallel nach einem neuen Standort für das Lager und für das Geschäft suchen. Voraussichtlich in Kreuzberg oder Schöneberg, denn die Mieten am Kurfürstendamm seien jetzt einfach viel zu hoch. „Unser jetziger Mietvertrag ist noch relativ günstig, weil er alt ist,“ erklärt sie.

Diana Borm würde gerne in der Rankestraße bleiben, weil sich über die Jahre hinweg eine Stammkundschaft entwickelt hat. „An einem neuen Standort müssen wir uns unsere Kundschaft erst wieder neu erarbeiten,“ sagt sie. Sie selbst findet es schade, dass die Karstadt-Filiale schließt. Auch Diana Borm meint, dass klassische Kaufhäuser etwas Besonderes sind und viel besser funktionieren würden, als Shoppingcenter. „Davon hat Berlin eh genug.“

Rund um Karstadt wird vieles abgerissen

Das Gelände der zukünftigen „Mall of Ku'damm“ wird eingeschlossen vom Kurfürstendamm, der Augsburger Straße und der Rankestraße. Das Karstadt-Warenhaus mit seiner markanten Glasfront verschwindet. Das Nachbarhaus am Ku’damm mit dem Telekom-Shop und dem Modeladen „Orsay“, der bereits Anfang Januar ausgezogen ist, wird abgerissen.

In der Augsburger Straße wird das hauseigene Parkhaus und das Bettenhaus von Karstadt der neuen Shopping Mall zum Opfer fallen. Das denkmalgeschützte Geschäftshaus in der Rankestraße 5-6 soll ebenfalls in das neue Einkaufscenter eingegliedert werden. Die Mieter, darunter der Modeladen Zebraclub Berlin und die Techniker Krankenkasse, müssen das Haus bis zum Baubeginn im März 2017 verlassen. Die Eröffnung der „Mall of Ku’damm“ ist für 2020 geplant.

Gina Dubiel

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