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Seltener Jubel. Chinas Nationalmannschaft konnte sich bisher nur ein einziges Mal für die WM 2002 qualifizieren.

© imago/Imaginechina

Fußball in China: Torlos in die Offensive

2015 hatte Staatspräsident Xi Jinping in einer geheimen Regierungssitzung „die Wiederbelebung des chinesischen Fußballs“ befohlen. Warum China im Fußball gegenwärtig teure Anstrengungen unternimmt.

Für die Traditionalisten unter Deutschlands Fußballfreunden war folgende Meldung nur schwer zu verkraften: Chinas U20-Nationalmannschaft soll in der kommenden Saison in Deutschland außer Konkurrenz in der viertklassigen Regionalliga Südwest mitspielen. „Fußball, du bist mausetot“, kommentierte ein Twitter-User. Der viertklassige Traditionsverein Rot-Weiß Oberhausen witzelte: „Ab sofort wird per Glückskeks entschieden, wer aufsteigt“. Und der SV Waldhof Mannheim weigerte sich zunächst, diesem Plan des Deutschen Fußball Bundes (DFB) zuzustimmen. Andere Klubs äußerten sich wohlwollender, vielleicht auch weil ihre Zusage mit 15 000 Euro belohnt wird. Am 11. Juli soll nun eine Managertagung der 19 betroffenen Vereine Entscheidung fällen.

Fußballspiele der chinesischen U20 gegen den KSV Hessen Kassel oder FC Astoria Walldorf wären ein weiterer Ausdruck jener gewaltigen und teuren Offensive, die China im Fußball unternimmt. Chinas Staatspräsident Xi Jinping hat im Februar 2015 in einer zunächst geheimen Regierungssitzung nichts weniger als „die Wiederbelebung des chinesischen Fußballs“ befohlen, berichtete die Nachrichtenagentur Xinhua. Diese stärkt Chinas Soft Power und ist offenbar auch Teil jenes „Chinesischen Traums“, den Xi Jinping zu seiner Regierungsdevise erhoben hat.

Dieser Teil des Traums ist auch sein persönlicher, schon 2011 brachte er drei große Fußball-Wünsche zum Ausdruck: China solle sich für die WM qualifizieren, die WM ausrichten und die WM gewinnen. „Xi Jinping ist ein Fußballfan, er hat große Ambitionen“, erklärt Shi Mingde, Chinas Botschafter in Deutschland, „er hat auf Regierungsebene eine Arbeitsgruppe zur Förderung des Fußballs aufgebaut, deren Leiter er selbst ist“.

Nur einmal, 2002, nahm China an einer WM teil und schied torlos aus

Doch die Sehnsucht nach Erfolgen im Fußball sitzt auch in der chinesischen Bevölkerung tief. „Alle Chinesen sind enttäuscht, dass sie es nicht zur WM schaffen“, sagt Shi Mingde, „und sie werden seit Jahren immer wieder enttäuscht.“ Doch warum will es einfach nicht gelingen, im bevölkerungsreichsten Land der Welt elf Fußballer zu finden, die das Land zumindest zur Weltmeisterschaft schießen können? Die Korruption ist schuld, sagen einige, vor Jahren konnten sich Spieler für 30000 Euro sogar eine Nominierung fürs Nationalteam kaufen. Es liege am Erziehungssystem, sagen andere, es setze zu wenig auf Individualität. Es fehle an fußballerischem Know-How, wenden andere ein.

Nur einmal, 2002, nahm China an einer WM teil und schied punkt- und torlos aus. In der WM-Qualifikation für Russland 2018 ist das Team von Trainer Marcello Lippi gerade wieder so gut wie gescheitert. All die olympischen Goldmedaillen im Gewichtheben, Schießen oder Wasserspringen können die Chinesen nicht darüber hinwegtrösten, dass das Reich der Mitte im Fußball nur eine Randnotiz ist.

30 Millionen Schüler sollen bis 2020 im Fußball als Lehrfach unterrichtet werden

Dabei stimmt das inzwischen gar nicht mehr für die Chinese Super League, die chinesische Profiliga, die bereits 2012 namhafte Spieler wie den Ivorer Didier Drogba oder den Franzosen Nicolas Anelka mit gewaltigen Summen lockte. Gerade erst hat der Hauptstadtklub Beijing Guoan den ehemaligen Leverkusener Trainer Roger Schmidt verpflichtet. Und um aktuelle Bundesligastars wie den Kölner Anthony Modeste oder sogar Dortmunds Superstar Pierre-Emerick Aubameyang werben Chinas schwerreiche Klubs ebenfalls. Doch am beklagenswerten Zustand des Nationalteams haben die Einkaufstouren wenig geändert. Auch weil die wichtigen Positionen im zentralen Mittelfeld und im Angriff in den Profiteams mit Ausländern besetzt sind. Doch das Problem scheint erkannt.

Mit einer gewaltigen Anstrengung soll Fußball nun in China auch in der Breite gefördert werden. 30 Millionen Schüler sollen bis 2020 im Fußball als Lehrfach unterrichtet werden. 20 000 auf Fußball spezialisierte Schulen sollen entstehen, 70 000 Fußballfelder im ganzen Land gebaut werden. Und mit dem aktuellen Fußballweltmeister Deutschland wurden im November drei Vereinbarungen der Zusammenarbeit im Fußball unterzeichnet: Eine auf Regierungsebene, eine auf Verbandsebene sowie eine Vereinbarung zwischen DFB und Erziehungsministerium. „Das ist eine einmalige Sache“, schwärmt Botschafter Shi Mingde. Aus chinesischer Sicht ist es überaus sinnvoll, die eigene U20-Nationalmannschaft mit Spielen gegen Hessen Kassel auf die Olympischen Spiele 2020 vorzubereiten. Jetzt muss nur noch Waldhof Mannheim mitspielen.

Weitere Beiträge zur politischen und kulturellen Entwicklung in China lesen Sie auf unserer Themenseite.

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