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Viele der barocken Skulpturen für die Fassade werden in der Schlossbauhütte zwar auch gegossen, aber die Hand des Bildhauers bearbeitet jedes Stück. Bertold Just leitet die Werkstatt in Spandau.

© Georg Moritz

Wie funktioniert die Stadt? (3): Krönung seiner Laufbahn

Mit dem Barock kennt er sich aus: Bertold Just leitet die Schlossbauhütte Spandau.

Wie funktioniert die Stadt? Folge 3: Das Stadtschloss

Es ist eines der größten Bauprojekte Berlins: das Humboldtforum. Für den Schlossneubau werden 100 000 Kubikmeter Beton gegossen, 20 000 Tonnen Stahl verbaut, sind 500 Bauarbeiter im Einsatz. Die Kosten von 590 Millionen Euro trägt zum größten Teil der Bund. Der Prachtbau soll ein Publikumsmagnet werden, drei Millionen Besucher jährlich anziehen mit Konzerten und Großveranstaltungen, mit der glasüberdachten Eingangshalle, Höfen, Passagen, Restaurants. Das beiliegende Poster lässt schon einen Blick nach drinnen zu.

Sieht wohlgeraten aus, der kräftige Flügel einer Genius-Figur für das Schlossportal. Nur der grobe Klotz, der hinten dranhängt, befremdet etwas. Und die Farbe. Keine Farbe, reines Weiß. Reiner Gips. Der Genius gehört zur Seitenkartusche an Portal III. Seitenkartusche, auch so ein Fachwort aus dem Barockvokabular. Aber das wird man jetzt lernen müssen. Ab März 2015 verhüllt die Barockfassade peu à peu den schnöden Beton des Humboldtforums. Dann verwandelt sich der Rohbau in ein Schloss, und jeder, der was auf sich hält, sollte beim Vorbeiflanieren ein wenig mitreden können.

Bertold Just geht der Barock fließend von den Lippen. Der 51jährige leitet die Schlossbauhütte in Spandau. Junges Gesicht, hellgraue Flecken im dunklen Haar, Thermoweste gegen die Kälte in der großen lichten Halle, die mal Lkw-Werkstatt der britischen Armee war. Angefangen hatte Just einst als Stukkateur-Lehrling beim Wiederaufbau des Schauspielhauses. Das Schloss sei für ihn die Krönung seines Berufslebens, sagt er.

Die Bauhütte ist Zentrallager und Atelier in einem. Hier stehen die Originalrelikte vom alten Stadtschloss, die als Vorlagen dienen. Bildhauer modellieren hier, arbeiten an Sandsteinfiguren oder besprechen mit Just künstlerische Fragen. Wie war die Kopfhaltung der Viktoria? Wie weit sollte die Trompete herausragen? Kartuschen sind übrigens verspielte Schmuckrahmen. Viele Meter hoch. Noch gewaltiger wirken aus der Nähe die Portalgiebel, korrekt: Tympana, das sind die repräsentativen, mit Macht- und Kriegssymbolik aufgeladenen Flächen über den Torbögen. Das Portal II für den Eosanderhof ist noch eine feuchte, träge, buntscheckige Masse aus Ton und Silikon. An der Spitze gibt es Risse und Verwerfungen. Trockenschäden. Da kommt die Bildhauerin nur per Leiter ran.

3D-Druck als Bauvorlage

Wer Just in seiner Hütte besucht, muss genau zuhören. Die Sache ist kompliziert. Immerhin wird der Versuch unternommen, eine untergegangene Bauepoche wiederzubeleben. Wie die Bildhauer und Steinmetze von Schlossbaumeister Schlüter einst vorgingen, frisch in den Sandstein hinein, als Vorlage nur eine Zeichnung oder eine Vorstellung, so geht das nicht mehr. Am Anfang stehen tausende Schlossfotos aus den Berliner Archiven. Und Relikte, vergrabene Schlossreste oder Bauteile, die weitgehend vergessen in der Klosterruine standen. Aus diesen Quellen modellieren die barockerfahrenen Bildhauer der Bauhütte Vorlagen aus Ton, zunächst kleinere Proben, dann das Modell in Originalgröße.

Das Tonmodell wird von einer Expertenkommission begutachtet und abgenommen. Anschließend kann ein Silikonabdruck genommen werden, der mit Gips ausgegossen wird. Der Gipsabdruck ist dann die Eins-zu-eins-Vorlage für die Steinmetze in den Natursteinunternehmen, die mit dem Bau eines ganzen Portals oder einer Fassadenseite beauftragt sind. Dort übernehmen oft computergesteuerte Sägen oder Fräsen die Arbeit, wenn es um einfache Simse oder Säulen geht. Am Ende legt aber immer ein Steinmetz oder Bildhauer Hand an, um die gewünschte Oberflächenstruktur herzustellen. Denn absolut unerwünscht ist der Eindruck, die Steinornamente seien aus maschineller Serienfertigung. Das Schloss als Barockplattenbau, passend zum Nikolaiviertel? Ein Graus!

Das Liebknechtsche Schlossportal IV, das ins Staatsratsgebäude eingebaut wurde, hat Hüttendirektor Just ausdrucken lassen. Kein Witz. Das Portal wurde eingescannt und in kleinen Portionen in einem Drei-D-Drucker als Sand-Kunststoff-Gemisch wieder ausgespuckt. In schweren Blöcken liegt das neue Tor nun auf dem Hallenboden.

Weil sie beim Toraufbau in den sechziger Jahren kleine Fehler gemacht haben, muss auch hier korrigiert werden. Überhaupt wird die neue Fassade weit besser, weil schlüterscher und eosanderischer als die alte. Die wilhelminischen Restaurateure hatten nicht den Anspruch, originalgetreu nachzubilden, wenn mal wieder ein Kopf oder eine Lanze zerbröselt waren.

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